Chili und Schokolade
genug erklärt: «Die Schaufel ist das männlichste aller Werkzeuge und selbstverständlich auch für Architekten von elementarer Bedeutung. Mit diesem Handwerksgerät wurden Zivilisationen begründet, und auch Neil Armstrong hatte eine Schaufel in der Hand, als er den Mond betrat.»
Jedes einzelne seiner Exponate wurde nur einmal für den jeweils ersten Spatenstich bei wichtigen Bauvorhaben benutzt – immer in der Hoffnung, das Gebäude und somit auch der Spaten würden eines Tages an Bedeutung gewinnen. Aber ich bin jetzt so entschlossen, dass ich es sogar auf eine Auseinandersetzung mit Konrad ankommen lasse.
Nach einer Stunde bin ich fertig, und es geht mir schon besser. Die ungewohnte körperliche Anstrengung hat mich etwas beruhigt. Zumindest fließen meine Tränen nicht mehr. Doch als ich meinen kleinen Liebling in die Grube lege, fange ich wieder an zu schluchzen. Ich kann überhaupt nicht mehr aufhören. Ich bin einfach zu traurig. Oscar war der Hund, den ich schon als kleines Mädchen immer wollte und nie bekommen habe. Er war der Spielgefährte meiner Söhne und in letzter Zeit meine einzige Gesellschaft, wenn ich tagelang allein zu Hause saß.
Zurück im Haus stolpere ich dann auch noch über das verlassene Körbchen. Mir wird bewusst, dass Oscar nie wieder um meine Beine streichen wird. Unter Tränen starre ich auf den leeren Platz. Der angenagte Kauknochen von gestern Abend liegt noch drin. Die Kraft, alles wegzuräumen, habe ich nicht. Seufzend begebe ich mich in die Küche.
«Vielleicht solltest du dir gleich einen neuen Oscar anschaffen.» Umgeben von frischem Seifenduft und in eine lässige Freizeithose gekleidet, steht Konrad vor dem Kühlschrank.
Fassungslos sehe ich ihn an. Hab ich mich verhört, oder hat er gerade «einen neuen Oscar anschaffen» gesagt? Das kann doch unmöglich sein Ernst sein?
Gelassen zuckt er die Schultern. «Ich wollte dich nur aufmuntern. Und so ein süßer kleiner Welpe könnte das noch viel besser.»
Eben war ich noch tieftraurig. Doch jetzt brodelt es heftig in mir. Erst vor wenigen Minuten habe ich meinen geliebten Hund mit Erde bedeckt. Und jetzt will Konrad ihn schon gegen einen neuen ersetzen. Ist er wirklich so gefühllos?
«Was würdest du eigentlich machen, wenn ich mal sterbe?», frage ich vorwurfsvoll. «Suchst du dir dann nach meiner Beerdigung auch sofort wieder eine neue Frau, damit dein Leben wie gewohnt funktioniert?»
«Bitte, Evelyn, bleib realistisch. Oscar war ein Hund.»
«Ja, und du hast keine Ahnung, wie klug er war», schluchze ich. «Oscar verstand jedes Wort. Er wusste genau, was er wann durfte und wann nicht.» Vor allem, wenn du nicht zu Hause warst, füge ich in Gedanken hinzu.
«Wie dem auch sei, wenn du wieder einen Hund möchtest, habe ich nichts dagegen …»
«Dich kann wohl gar nichts erschüttern?», motze ich ihn an und bin über mich und meine plötzliche Angriffslustigkeit erstaunt. «Da wird ein langjähriges Familienmitglied überfahren, und du gehst einfach zur Tagesordnung über.»
Irritiert blickt er mich an. «Was soll diese Feindseligkeit? Ich habe dir gesagt, dass es nicht meine Schuld war. Im Übrigen hätte dir das auch passieren können. Gegen eine läufige Hündin ist man einfach machtlos. Wie dem auch sei, das Leben geht weiter.»
Typisch Konrad: Er beendet unangenehme Themen gerne mit einem: «Wie-dem-auch-sei». Und damit verschwindet er die Treppe runter im Hobbykeller. Das Thema ist für ihn abgehakt. Er geht tatsächlich zum gewohnten Tagesprogramm über.
Bestürzt starre ich ihm nach. Ist das wirklich der Mann, der geweint hat, als nach fünfjährigem Warten endlich die Zwillinge geboren wurden? Ich fühle mich schrecklich allein gelassen. Anstatt mich zu trösten, wäre es Konrad lieber, ich würde mir ganz schnell einen Ersatzhund kaufen: Er hat nichts dagegen!!!
Ich fühle mich so erschlagen, als würde ich eine schwere Grippe bekommen. Erschöpft schleppe ich mich zum Sofa, ziehe mir die Decke über den Kopf und wäre am liebsten auch tot.
Nach einer Stunde werden meine dunklen Gedanken vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Solange Konrad zu Hause ist, wünscht er nicht, dass ich abnehme. Doch es klingelt weiter. Also muss ich rangehen.
«Hallo Mami!», begrüßt mich Jens, der dreißig Minuten ältere Zwilling. Gleich darauf höre ich auch Timos Stimme. «Mamilein, hallooo! Wie geht’s dir denn?»
Sofort fange ich wieder an zu schluchzen und platze mit der schrecklichen Nachricht
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