Chili und Schokolade
auch beibringen? Er würde vermutlich sofort die Scheidung einreichen. Ich habe schließlich noch nie etwas ohne sein Einverständnis entschieden. Nur den Haushalt führe ich selbständig. Für meinen tief in den Meyer’schen Familientraditionen verhafteten Ehemann war schon bei unserer Verlobung klar: Ich habe mich um Haus, Garten und vorrangig um die «Kinderaufzucht» (als wäre der Nachwuchs eine Gemüsesorte) zu kümmern und alle anderen Interessen zurückzustellen. Für Konrad gehört eine Frau an die Seite eines Mannes, ins Haus und zu den Kindern. Für ihn ist das ein Naturgesetz wie runde Kreise.
Aber meine Söhne sind nun erwachsen und weit weg. Und Konrad kommt meist so spät nach Hause, dass ich ihn manchmal schon als Besucher empfinde. Es gibt also keinen Grund, mich nicht mal um meine Bedürfnisse zu kümmern. Die Vorstellung ist jedenfalls nicht ohne Reiz.
Es dauert noch zwanzig Minuten, bis Konrad endlich das Haus verlässt. Leider ist dann die Nummer des Reisebüros ständig besetzt. Die Konkurrenz scheint ziemlich groß zu sein.
«Himmlisch Reisen, Guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?», meldet sich schließlich eine junge Männerstimme.
«Mein Name ist Evelyn Meyer, ich rufe wegen des inserierten Aushilfsjobs …»
«Da sind Sie Nummer siebzehn!», unterbricht er mich ziemlich genervt. Der Ton erinnert jetzt unangenehm an Konrad.
Verblüfft stotternd antworte ich: «Oh … tut mir leid.»
«Ja, ja, schon gut.» Ungeduldig und nicht besonders interessiert klingend erkundigt er sich: «Wo waren Sie denn bisher tätig?»
Mit möglichst wenigen Worten, aber nicht ohne Stolz, erkläre ich ihm, dass ich seit fünfundzwanzig Jahren einen großen Haushalt leite und pädagogische Kompetenz besitze. Zugegeben, ich habe mich an diesen Werbespot erinnert, in dem eine junge Hausfrau und Mutter ihren Job derart raffiniert umschreibt, dass den «berufstätigen» Damen die Spucke wegbleibt. Ich finde nämlich, dass der kleine Spot dem angeblich so langweiligen Hausfrauendasein endlich mal die gebührende Ehre erweist.
Herr Himmlisch-Reisen ist anderer Meinung. Er fasst meine Erklärung in einem Satz zusammen: «Aha, Sie haben also seit fünfundzwanzig Jahren nicht gearbeitet!»
Am liebsten würde ich ihn für diese Diskriminierung «Schnösel» schimpfen und einfach auflegen. Aber ich bemühe mich, höflich zu bleiben.
«Wie sind denn die genauen Anforderungen für den Job?»
Der gestrenge Herr lässt meine Frage unbeantwortet und beendet das Telefonat kurz angebunden: «Tut mir leid. Wir suchen jemanden mit Branchenerfahrung.»
«Verstehe», murmle ich frustriert, verabschiede mich und lege auf. Na, wenn das so weitergeht, werde ich wohl nie eine Beschäftigung finden.
Die Woche vergeht, ohne Reaktion auf meine schriftlichen Bewerbungen. Aber am Freitag, als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben habe, erhalte ich vormittags einen Anruf. Eine große Investmentfirma hatte einen Halbtagsjob ausgeschrieben.
«Ich gehe davon aus, dass Sie Computerkenntnisse besitzen», beginnt Frau Daiser, die Personalchefin, unser Gespräch. «Das ist nämlich Vorbedingung.»
«Ja, selbstverständlich», beeile ich mich zu versichern.
«Sehr schön, Frau Meyer, heute um zwölf Uhr hätte ich einen Vorstellungstermin für Sie, da könnten wir dann die Einzelheiten besprechen.»
Huch, das ist ja in einer Stunde!, denke ich, bedanke mich aber erfreut und sage zu.
Nachdem ich aufgelegt habe, schlüpfe ich eilig in ein klassisches Kostüm, das mir für diesen Zweck passend erscheint. Auf Make-up muss ich aus Zeitnot verzichten. Ich fahre mir nur kurz mit der Bürste durchs Haar und düse los.
Abgehetzt und nervös stehe ich vierzig Minuten später vor dem Firmengebäude in der Innenstadt. In meinem hellgrauen Kostüm, der schwarzen Bluse und den flachen schwarzen Slippern fühle ich mich fast schon wie eine erfolgreiche Businessfrau.
Das Gespräch mit Frau Daiser lässt dieses Gefühl aber bereits nach dem zweiten Satz auf Erbsengröße zusammenschrumpfen.
«Nun, Frau Meyer, es handelt sich um eine Tätigkeit in unserem Archiv. Die gängigen Datenverarbeitungs-Systeme sind Ihnen vertraut?» Die Mittdreißigerin mit dem rotbraunen Kurzhaarschnitt fixiert mich streng durch ihre eckige Hornbrille.
Ich vermute, dass «Datenverarbeitung» nur eine andere Bezeichnung für Computerkenntnisse ist, nicke zustimmend und ertrage lächelnd die Blickkontrolle. Wenn man dem Blick standhält, soll das ja
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