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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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Tasche aussieht? Was soll das? Bist du hier, um dich zur Tussi ausbilden zu lassen? Wir sind hier in einer SCHULE, nicht in der DISCO!«
    Eine andere Stunde. Esra: »Ich hasse übertrieben kleine Familien!«
    »Ja, abó , nur so drei oder vier Kinder, voll langweilig.«
    »Wie viele seid ihr zu Hause?«
    »Sieben Kinder. Und ihr?«
    »Acht. Mein Vater hat elf Geschwister.«
    »Super. Meine Oma auch.«
    Die Konversation spielt sich direkt vor meiner Nase ab. Ich visualisiere elf kleine Esras und Duygus. Stelle mir total überfüllte Wohnungen und ewiges Geschreie vor.
    »Wie wollt ihr denn sieben Kinder ernähren?«, frage ich. Sie denken nach. Sagt jetzt nicht Hartz IV, bitte! Sagt nicht, Jobcenter macht das schon. Bitte! Ich habe gerade meine Steuererklärung gemacht.
    »Ich werde Zahnärztin«, sagt Duygu. Duygu wird wahrscheinlich nur mit Ach und Krach versetzt, aber bitte, soll sie doch Zahnärztin werden. Ich muss da ja nicht hingehen.
    Ansonsten war es heute mal wieder ein typischer Montag:
Kraft- und Lustnachlass mit jeder gehaltenen Stunde: massiv
Zu spät kommende Schüler: gefühlte 1000
Sich für die Verspätung entschuldigende Schüler: 0
Berichterstattungen der Kollegen über negatives Verhalten meiner Klasse: 5
Daraus resultierende Verhaltensverbesserungen der Klasse: 0
Daraus resultierende Stimmungsverschlechterungen bei mir: 5
Anzahl der Schüler, die ich heute vor die Tür gestellt habe: 3
Völlig unpädagogische Sätze, die ich gesagt habe: viele – alle in der letzten Stunde.
Geräusch in meinem rechten Ohr: Indischer Ozean.
    Fazit des Tages: Wenn man Lehrer werden will, dann nicht montags!
    Das Schöne am Lehrerleben: Jeder Tag ist anders. Heute war der perfekte Tag. Ich liebe meinen Job. Heute war echt alles super. Und das lag bestimmt an den Schülern! Die sind echt super. Haben sie doch heute wirklich mal gezeigt, dass sie bei mir auch was gelernt haben. Und wie sie das gezeigt haben. Ich könnte vor Stolz platzen. Ich komme mir vor wie Gymnasiumschullehrer – nur eben mit die cooleren Schüler.
    Eigenlob stinkt – ach, was soll’s, soll es doch – verpeste ich heute halt mal alles. Aber ich muss wirklich sagen – ich bin eine sehr gute Lehrerin! Wenn mir das niemand anders sagt, dann sage ich es mir eben selbst. Ich bin so eine super Lehrerin – ich hätte selbst gerne bei mir Unterricht.
    Und meine Schüler sind die tollsten Schüler, die man sich vorstellen kann. Sagte ich das schon? Einfach perfekt! Ich bin so begeistert, dass ich sogar meinen Schreibtisch aufgeräumt habe und kurz davor bin, die Fenster zu putzen. Die Sonne scheint auch – so soll das Leben sein! Ihr armen Nicht-Lehrer, ihr tut mir echt ein bisschen leid. Versucht doch auch, noch Lehrerin zu werden – das fetzt echt, ich kann mir nichts, wirklich gar nichts vorstellen, was schöner sein könnte!
    Okay, ich bin wieder auf Normal gelandet. Die Schüler, von denen ich gestern so begeistert war, waren übrigens nicht die aus meiner Klasse. Ist ja auch ganz gut, dass man nicht nur seine eigene Klasse unterrichtet. Die verstopfen mir nur mein Fach im Lehrerzimmer mit ihren Fehlzetteln und Tadeln und dem ganzen Mist. Also heute bin ich wieder ganz auf dem Boden der Realität. Vielleicht war ich nur gestern eine sehr gute Lehrerin. Vielleicht bin ich auch einfach keine gute Klassenlehrerin. Meine Klasse hält sich zurzeit, glaube ich jedenfalls, nur auf dem Hof auf. Kann es nicht wieder regnen, dann würden sie auch zum Unterricht gehen, aber so …
    Ach was soll’s, bald sind Sommerferien, und wer weiß, wie meine Klasse im nächsten Jahr ist. Und dann kommt eine andere Klasse und noch eine und noch eine und noch eine und nur noch die Rente und dann der Tod. Bei diesen recht ernüchternden Zukunftsaussichten sollte ich vielleicht mal rausgehen und die Sonne genießen.
    Schüler mal wieder irgendwo abholen
    In der kleinen Pause hole ich unauffällig den WM-Spielplan aus meiner Schultasche und blättere darin rum. Sofort bin ich umringt von den Jungen meiner Klasse.
    » Abóóó , ist das der Spieleplan?«, fragt Abdul.
    »Brasilien gewinnt sowieso«, flüstert Mehmet.
    » Story . Spanien oder Argentinien! Messi, der spielt übertrieben!«, mischt sich Emre ein.
    Wir befinden uns in der schönsten Spezialistendebatte. Ich gucke in den Spielplan. »Ähhh, wann spielt denn die Türkei?«
    »Hahaha, Frau Freitag, sehr witzig.«
    »Zeigen Sie mal, wer zuerst spielt!« Ich schlage die Mittelseite mit der Übersicht aller

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