Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
Meer …
… und schon schwang er sich aufs Eis, schüttelte sich das Wasser aus dem Pelz. Mit großen Sätzen stürmte er den Bösen entgegen, die vor ihm erzitterten. Der Wind trug ihm den beißenden Geruch ihrer Todesangst zu.
Die Natternschamanin stand zögernd da, den Pfeil noch auf der Sehne. Ihr Blick huschte von dem Bären zu dem zusammengebrochenen Torak und ihre Züge verzerrten sich vor Wut. »Der Junge! Der Junge ist der Seelenwanderer!«
Sie schrie auf, als der Bär sie mit einem Hieb seiner gewaltigen Tatze durch die Luft schleuderte, und blieb als regloses Bündel liegen. Der Bär sprang über das knirschende Schwarz, sog ein, was ihm der Wind an Witterungen zutrug – den Zorn des Eichenschamanen, Renns panische Angst. Vor ihm floh die Fledermausschamanin, teilte sich die Dämonenschar wie ein Fluss. Sein Knurren erfüllte die Luft, von seinem Gebrüll barst das Eis. Er war unbesiegbar!
Torak spürte den Zorn des Bären, als wäre es sein eigener, spürte dessen Blutdurst über sich zusammenschlagen wie eine rote Springflut. Er kämpfte dagegen an …
Und gab sich geschlagen.
Unbändige Mordlust durchströmte ihn, dieselbe Gier, die ihn getrieben hatte, der Blutspur im Schnee zu folgen. Er wollte sie alle in Stücke reißen: die Bösen, weil sie es gewagt hatten, sein Eis zu betreten, das Mädchen mit dem Flammenhaar! Er wollte sich an ihren zarten, warmen Herzen laben, wollte sie töten, einen wie den anderen!
Die Böse mit dem hellen Haar stellte sich ihm mit einer zerbrechlichen Waffe entgegen. Verächtlich fegte er sie weg, ergötzte sich am jämmerlichen Gejaul der Gestürzten.
Sie wimmerte und wand sich. Er wollte ihr den Garaus machen …
… da kam ein großer grauer Wolf angesprungen und vertrat ihm knurrend und zähnefletschend den Weg.
Der Bär bäumte sich auf, trommelte donnernd mit den Tatzen aufs Eis, schüttelte den Kopf und brüllte zornig.
Der Wolf wich nicht zurück. Er hielt die bernsteinfarbenen Augen fest auf sein Gegenüber gerichtet, stark und gelassen wie die Sonne. Sein Blick drang in die nachtschwarzen Seelen des Bären, entdeckte Toraks Seelen darin und rief nach ihnen. Da schüttelte Torak die Mordlust ab, erkannte erst Wolf und dann sich selbst, bezwang die Seelen des Eisbären und machte sie sich gefügig.
Thiazzi kauerte immer noch vor ihm, mit gebrochenem Arm und unbewaffnet.
Torak war unschlüssig. Der Seelenesser war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, er konnte ihn mit einem einzigen Biss töten. Doch inzwischen beherrschte ihn nicht mehr die Mordlust des Bären, sondern seine eigene. Er selbst wollte den Mann töten, sich die Kraft des größten aller Jäger zunutze machen. Er konnte kaum noch an sich halten. Der Eichenschamane hatte Wolf gequält, er hatte Renn nach dem Leben getrachtet und Toraks Fa verfolgt und ermordet. Er hatte den Tod wahrhaftig verdient!
Aber Wolfs Bernsteinblick ruhte unbeirrt auf ihm, und da begriff Torak, dass er, wenn er den Seelenesser jetzt tötete, genauso niederträchtig war wie dieser.
Mit ohrenbetäubendem Gebrüll stellte er sich vor dem Eichenschamanen auf die Hinterbeine. Mit Gebrüll ließ er sich wieder fallen und bearbeitete das Eis mit den Tatzen, bis es schwarze Splitter hagelte. Er – würde – nicht – töten!
Als er dem Töten eben entsagte, sah er Renn rückwärts wanken. Doch die Fledermausschamanin humpelte hinterher, entwand Renn den Feueropal und stieß sie mit solcher Kraft vom Rand des Abgrunds weg, dass sie hinfiel.
Dann wandte sich die Schamanin um und rief dem reglos daliegenden Torak mit bitterem Triumph zu: »Die Schuld ist gesühnt! Sag das deinem Vater, wenn du ihm begegnest. Die Schuld ist gesühnt!«
Mit diesen Worten sprang sie selbst in den Abgrund – und die Dämonen stürzten sich mit gellendem Geheul hinterdrein. Der Eisfluss ächzte, die schwarzen Klippen stürzten ein, verschlossen die Kluft für alle Zeiten – und erstickten das Leuchten des Feueropals.
Kapitel 39
ALS TORAK ERWACHTE, lag er auf dem Rücken.
Ihm drehte sich alles, und speiübel war ihm auch. Aber die letzten Schneeflocken streiften sanft seine Wangen, der Himmel war hell, und er begriff, dass die Dämonen fort waren.
Renn hielt seinen Kopf im Schoß. Sie zitterte.
»Geht’s dir gut?«, nuschelte er.
Sie setzte sich gerade hin. Sie war ganz blass. Ihm war noch gar nicht aufgefallen, dass sie ein Todeszeichen auf der Stirn hatte. »Mhmm«, nickte sie. »Und dir?«
»Mhmm«, schwindelte
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