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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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wäre, dann müsste ich Euch jetzt beinahe böse sein.«
    »Warum?«
    »Weil ich Euch dann fragen müsste, warum Ihr es zugelassen habt, dass der Wein seine Wirkung auf Euch entfaltet – kaum dass Ihr mich gesehen habt.«
    »Das muss vorher gewesen sein«, erwiderte Andrej. Ihm gelang sogar ein Grinsen, auch wenn ihm ihre scherzhaft gemeinten Worte in Wahrheit einen schmerzhaft tiefen Stich versetzten. Er konnte sich tatsächlich nicht erinnern, wie er sie kennengelernt hatte, aber das erklärte nicht, warum er dem Wein gestattet hatte, seine Gedanken zu verwirren.
    Corinna sah ihn an und schien wohl zu ahnen, dass sie einen wunden Punkt berührt hatte, der besser unangetastet geblieben wäre, denn plötzlich lächelte sie nervös, griff nach dem Glas und trank einen großen Schluck, bevor sie es ihm zurückgab. Ein einzelner Tropfen blieb auf ihrer Lippe zurück, wie eine blutrote Träne, und Andrej beugte sich vor und küsste ihn weg. Er schmeckte süß, sehr viel süßer als derselbe Wein, den er gerade aus seinem Glas getrunken hatte, und seine Lippen blieben, wo sie waren, auch nachdem seine Zungenspitze den Tropfen längst aufgenommen hatte. Ihre Lippen wurden noch weicher. Das Glas fiel zu Boden und zerbrach, als sich ihre Arme hinter seinem Nacken schlossen. Sein schlechtes Gewissen wollte sich noch einmal regen, aber es kostete ihn keine große Anstrengung, es zum Schweigen zu bringen.
    Vielleicht war es ein Fehler. Seine Lippen ruhten noch immer auf denen des Mädchens, und während seine Hände über ihren Körper glitten, erwachte seine Lust erneut und mit ihr ein anderes, düstereres Begehren, ein Hunger, den er zeit seines Lebens gekannt und bekämpft hatte, ohne ihn jemals ganz besiegen zu können. Er gab sich ganz seiner Lust hin. Konzentrierte sich vollkommen auf die wunderschöne Frau in seinen Armen. Versuchte so, dem Ungeheuer in sich Paroli zu bieten, und doch konnte er zunächst an nichts anderes denken als an die blutfarben schimmernde Träne, die er von ihren Lippen getrunken hatte, das warme Lebenselixier, das in ihren Adern floss und nach dem es tief in ihm schrie, mit solcher Urgewalt, dass es ihn ungeheure Willenskraft kostete, dieser schrecklichen Gier nicht nachzugeben. Und doch gelang es ihm irgendwie. Als er sie erneut in die Arme schloss, da war es nur noch das Mädchen, das er wollte, nicht mehr sein Leben. Sie war warm und jung und so lebendig, dass er sich beinahe verzweifelt an sie klammerte.
    Sie liebten sich zweimal kurz hintereinander, das erste Mal wild und ungestüm und fast schon brutal, beim zweiten Mal dafür umso zärtlicher und behutsamer, bis sie schließlich erschöpft nebeneinanderlagen, wieder in Schweiß gebadet, der nun allmählich auf ihrer Haut zu trocknen begann.
    Erneut überkam ihn Schläfrigkeit, der er nur zu gerne nachgegeben hätte. Nicht weil er müde war – Abu Dun und er konnten Tage ohne Schlaf auskommen, Wochen, wenn es sein musste –, sondern weil er jenen ganz besonderen Schlaf nach Momenten der Zärtlichkeit stets genoss. Aber er wagte es nicht, denn er hatte Angst, dass der Albtraum zurückkommen würde.
    Schließlich stand er auf, schlang sich die dünne Decke um die Hüfte und trat an das schmale Dachfenster. Es war so hoch in der schrägen Decke angebracht, dass er sich auf die Zehenspitzen hätte stellen müssen, um hinauszusehen. Er wusste, dass es dort draußen nichts zu sehen gab, was diese, wenn auch nur kleine Mühe wert gewesen wäre. Das blinde Fenster ließ schon tagsüber kaum genug Licht herein, um die winzige Kammer zu erhellen. Jetzt waren selbst die Fassaden auf der gegenüberliegenden Straßenseite kaum mehr als rauchige Gespenster ihrer selbst, der Himmel darüber ein fleckiger grauer Streifen, auf dem nicht ein einziger Stern zu erkennen war. Aber immerhin passte dieser Anblick zu seiner trüben Stimmung, an der auch die zurückliegende Stunde nichts hatte ändern können.
    Vielleicht würde das von heute an immer so sein, dachte er bitter. Der Traum – besser gesagt das, was ihn ausgelöst hatte – begann, sein Leben zu vergiften. Seit er ihn vor einem Jahr zum ersten Mal geträumt hatte, war sein Blick für das Wirkliche getrübt, sein Lachen tot, und das allmähliche Sterben seiner Seele hielt nach wie vor an.
    Er konnte hören, wie auch Corinna aufstand und sich wieder raschelnd an irgendetwas zu schaffen machte. Er drehte sich weder vom Fenster weg, noch sah er über die Schulter zu ihr, fragte aber: »Schulde ich dir

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