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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Gefahr, nicht wahr? Zumindest glaubst du das. Du hast nach mir gerufen. Das war eine unverhohlene Bitte.«
    »Sind das Armands Worte - ›eine unverhohlene Bitte‹? Ich hasse Armand.«
    David lächelte nur und schob das mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. »Du haßt ihn nicht, und du weißt es.«
    »Wetten, daß?«
    Er schaute mich ernst und vorwurfsvoll an. Bei englischen Schuljungen wirkte das wahrscheinlich.
    »Na gut«, sagte ich, »ich erzähle es dir. Aber ich möchte zuerst, daß du dich an eine Unterhaltung erinnerst, die wir damals in deinem Haus in den Cotswolds hatten. Du warst noch kein Vampir, sondern der charmante, alte Herr, verzweifelt, weil der Tod nicht mehr fern war.«
    »Ich erinnere mich, das war, ehe du in die Wüste gingst.«
    »Nein, direkt danach. Uns war klargeworden, daß diese einfache Methode, die ich mir ausgesucht hatte, um mich zu töten, nicht funktionierte. Ich kam total verbrannt zurück, und du hast mich gepflegt. Dann hast du von dir selbst erzählt, von deinem Leben - und von einem Erlebnis, das du vor dem Krieg hattest, in Paris in einem Cafe. Erinnerst du dich? Weißt du, was ich meine?«
    »Ja, sicher. Ich erzählte dir, daß ich glaubte, als junger Mann eine Vision gehabt zu haben.«
    »Ja, etwas in der Art, daß das Gewebe der Zeit aufgerissen sei und dir plötzlich einen Blick auf Dinge freigegeben habe, die eigentlich nicht für dich bestimmt waren.«
    Er lächelte. »Das war deine Idee, die Sache mit dem Riß und daß mir durch reinen Zufall dieser Einblick gewählt wurde. Ich habe damals gedacht, daß diese Vision an mich gerichtet war, und ich meine das auch heute noch. Aber seitdem sind fünfzig Jahre vergangen. Meine Erinnerung an diese Angelegenheit ist erstaunlich schwach.«
    »Nun, was erwartest du anderes? Als Vampir erinnert man sich lebhaft an alles vom Moment seiner Entstehung an, aber Einzelheiten des sterblichen Daseins entfallen einem rasch, vor allem sinnliche Eindrücke - man hängt zum Beispiel verzweifelt der Überlegung nach, wie Wein schmeckte.«
    Er bedeutete mir zu schweigen. Ich machte ihn unglücklich. Das hatte ich nicht gewollt.
    Ich nahm das Glas, genoß das Aroma des Getränks - es war so eine Art Glühwein - und setzte es wieder ab. Meine Hände und mein Gesicht waren noch immer gebräunt von meinem Ausflug in die Wüste, diesem hübschen Versuch, mitten ins Antlitz der Sonne zu fliegen. Welche Ironie: Das ließ mich jetzt leichter als Mensch durchgehen. Und meine Hände waren empfänglicher für Wärme geworden. Ein Schauer des Entzückens durchlief mich. Wärme!
    Manchmal denke ich, daß ich es schaffe, aus jeder Situation das Beste für mich herauszuholen. Ich kann mich beim stundenlangen Betrachten des Teppichmusters in einer Hotellobby zu Tode lachen, so sehr bin ich sinnlichen Eindrücken verhaftet.
    Mir wurde bewußt, daß Davids Blick auf mir ruhte. Er schien sich wieder gefaßt zu haben - oder vielleicht hatte er mir auch nur zum tausendsten Mal verziehen, daß ich seine Seele in einen Vampirkörper gesteckt hatte, ohne seine Zustimmung, ja, sogar gegen seinen Willen. Er schaute mich plötzlich fast liebevoll an, so als ob ich diesen Beweis seiner Zuneigung brauchte. Und ich brauchte ihn wirklich.
    »In dem Cafe in Paris hörtest du, wie zwei Wesen miteinander sprachen«, sagte ich, indem ich auf seine damalige Vision zurückkam. »Du warst noch jung, die Vision war fließend. Aber dir wurde klar, die beiden waren nicht ›wirklich‹ da, nicht im materiellen Sinne, und du konntest ihre Sprache verstehen, obwohl du keine bestimmte Sprache zu erkennen vermochtest.«
    Er nickte. »Genau so war es. Und für mich klang es wirklich, als ob Gott und der Teufel miteinander sprächen.«
    »Ja, und als ich dich letztes Jahr verließ, da hast du gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen, du würdest dich nicht auf die Suche nach irgendwelchen religiösen Erkenntnissen begeben, um Gott und den Teufel in einem Pariser Cafe zu finden. Und es sei genug, daß du dein sterbliches Leben bei der Talamasca auf der Suche nach solchen Dingen \erbrachtest. Du würdest eine andere Richtung einschlagen.«
    »Ja, genau das habe ich gesagt«, gab er zu. »Diese Vision ist inzwischen etwas verblaßt. Aber ich erinnere mich noch daran, wirklich, und ich glaube noch immer, daß ich etwas gesehen und gehört habe. Aber ich habe mich endgültig damit abgefunden, daß ich niemals erfahren werde, was es war.«
    »Also überläßt du Gott und den Teufel

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