Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
seinen neu entdeckten Bergen und dem McMurdo-Sund zu finden.
Pabodie und ich trafen Vorbereitungen, um unser Lager für kürzere Zeit – oder falls nötig, auch für länger – dicht zu machen, je nachdem, worauf es hinauslief: Falls wir in der Antarktis überwinterten, würden wir wahrscheinlich direkt von Lakes Lager zur Arkham fliegen, ohne an diesen Ort zurückzukehren. Einige unserer kegelförmigen Zelte waren mit Blöcken aus Pressschnee befestigt worden, und wir beschlossen nun, diese Arbeiten zu Ende zu bringen und einen dauerhaften Stützpunkt zu schaffen. Da die Expedition reichlich über Zelte verfügte, hatte Lake in dieser Hinsicht alles dabei, was sein Lager benötigte, selbst wenn wir dazukamen. Ich funkte Lake, dass Pabodie und ich nach einem weiteren Arbeitstag und einer Nacht des Schlafs für den Flug nach Nordwesten bereit sein würden.
Allerdings gingen unsere Arbeiten von 16.00 Uhr an nur noch recht schleppend voran, denn um diese Zeit begann Lake in höchster Erregung, ganz außerordentliche Beobachtungen durchzugeben. Sein Arbeitstag hatte enttäuschend begonnen, denn ein Erkundungsflug über die größtenteils von Schnee freigeblasenen Felsflächen bewies das völlige Fehlen jener archäischen, urzeitlichen Schichten, nach denen er Ausschau hielt und die einen so wesentlichen Anteil der gigantischen Gipfel ausmachten, die sich in verlockender Nähe vom Lager auftürmten. Bei den meisten Gesteinsarten, die er ausmachte, handelte es sich offenbar um Sandstein aus dem Jura und der Kreidezeit sowie Schiefer aus dem Perm und dem Trias, stellenweise unterbrochen von glänzenden schwarzen Ausbissen, die auf harte, schiefrige Kohle schließen ließen. Dies wirkte ziemlich entmutigend auf Lake, für den alles davon abhing, Proben zutage zu fördern, die mehr als 500 Millionen Jahre älter waren. Er erkannte, dass, wollte er die azoische Schieferader wiederfinden, in der er die rätselhaften Abdrücke entdeckt hatte, eine lange Schlittenfahrt von diesem Vorgebirge bis zu den steilen Hängen der gigantischen Berge unvermeidlich sein würde.
Dennoch hatte er sich entschlossen, im Rahmen des allgemeinen Expeditionsprogramms an Ort und Stelle einige Bohrungen durchzuführen; daher ließ er den Bohrturm aufrichten und teilte fünf Mann zu seiner Bedienung ein, während der Rest das Lager fertig aufschlug und die Reparatur des beschädigten Flugzeuges fortsetzte. Die erste Probebohrung galt dem weichsten Gestein, das zu sehen war – ein Sandstein in einigen hundert Metern Entfernung vom Lager –, und der Bohrer kam auch ohne größere Sprenghilfe bestens voran. Ungefähr drei Stunden später, nach der ersten wirklich starken Sprengung im Laufe dieser Arbeiten, erschollen die Rufe der Bohrmannschaft, und der junge Gedney – der als Vorabeiter diente – kam mit der spektakulären Neuigkeit ins Lager gestürmt.
Sie waren auf eine Höhle gestoßen. Zu Beginn der Bohrung war der Sandstein einer kreidezeitlichen Kalksteinader gewichen, die lauter winzige fossile Cephalopoden, Korallen, Echiniden und Spiriferen enthielt sowie gelegentliche Spuren von Urgesteins-Schwämmen und Knochen von Meereswirbeltieren – letztere vermutlich von Knochenfischen, Haien und Ganoiden. Dies allein war schon bedeutsam genug, handelte es sich doch um den ersten Fund von Wirbeltierfossilien im Verlauf unserer Expedition; doch als der Bohrkopf kurz darauf aus der Kalksteinschicht scheinbar ins Leere durchbrach, bemächtigte sich eine neue, noch weit stärkere Aufregung der Männer. Eine größere Sprengung offenbarte dann das unterirdische Geheimnis; und nun gähnte den beflissenen Forschern durch eine ausgezackte Öffnung von etwa eineinhalb Metern Durchmesser eine niedrige Kalkstein-Höhlung entgegen, die vor über 50 Millionen Jahren vom tropfenden Grundwasser einer erloschenen Tropenwelt ausgewaschen worden war.
Die Aushöhlung war höchstens zwei oder drei Meter tief, erstreckte sich jedoch endlos weit in alle Richtungen und führte frische, schwach bewegte Luft, die darauf hindeutete, dass es sich um ein ausgedehntes unterirdisches Höhlensystem handelte. Decke und Boden waren gespickt mit großen Stalaktiten und Stalagmiten, von denen einige zu Säulen zusammengewachsen waren, doch wichtiger als alles andere war die enorme Ansammlung von Schalen und Knochen, die stellenweise fast den Durchgang verstopften. Herabgeschwemmt aus unbekannten Dschungeln mesozoischer Baumfarne und Schwämme sowie aus Wäldern tertiärer
Weitere Kostenlose Bücher