Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
Zykadeen, Fächerpalmen und primitiver Angiospermen, enthielt dieses beinerne Sammelsurium Vertreter einer größeren Anzahl kreidezeitlicher, eozäner und sonstiger Tierarten als selbst der beste Paläontologe in einem ganzen Jahr hätte sichten oder klassifizieren können. Mollusken, Panzer von Krustentieren, Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und frühe Säuger – groß und klein, bekannt und unbekannt. Kein Wunder, dass Gedney laut rufend ins Lager zurückrannte, und kein Wunder auch, dass jeder seine Arbeit liegen ließ und Hals über Kopf durch die schneidende Kälte zu der Stelle stürmte, wo der hohe Bohrturm ein neu entdecktes Tor zu Geheimnissen des Erdinneren und entschwundener Äonen markierte.
Nachdem Lake seine erste unbezähmbare Neugier befriedigt hatte, kritzelte er eine Nachricht in sein Notizbuch und schickte den jungen Moulton zurück ins Lager, damit er sie über Funk weitergab. Dies war die erste Kunde von der Entdeckung, die mich erreichte, und sie berichtete über die Identifizierung früher Muscheln, Knochen von Ganoiden und Placoiden, Überresten von Labyrinthodonten und Thecodonten, großen mesosaurischen Schädelfragmenten, Dinosaurierwirbeln und -panzerplatten, Zähnen und Flügelknochen von Pterodactylen, Überresten von Archäopteryges, Haifischzähnen aus dem Miozän, Schädeln primitiver Vogelarten und sonstigem Gebein urzeitlicher Säugetiere wie Paläotherien, Xiphodonten, Eohippi, Oreodonten und Titanotherien. Jüngere Organismen wie Mastodonten, Elefanten, echte Kamele, Rotwild oder Huftiere waren nicht vertreten. Dies veranlasste Lake zu der Schlussfolgerung, dass die jüngsten Ablagerungen aus dem Oligozän stammten und dass die ausgehöhlte Schicht sich seit mindestens 30 Millionen Jahren in ihrem gegenwärtigen ausgetrockneten, toten und unzugänglichen Zustand befinden musste.
Andererseits war das Vorherrschen sehr früher Lebensformen sehr befremdlich. Obzwar die Kalksteinformation fraglos zwischen Jura- und Kreidezeit und keinen Deut früher entstanden war, was so typische darin eingelagerte Fossilien wie Kieselschwämme eindeutig bewiesen, stammten die losen Überreste in dem Hohlraum zu einem überraschend hohen Anteil von Organismen, die bislang als kennzeichnend für weit ältere Zeitabschnitte galten – darunter sogar rudimentäre Fische, Mollusken und Korallen, die bis zurück ins Silur oder Ordovizium datierten. Die unvermeidliche Schlussfolgerung daraus lautete, dass in diesem Teil der Erde ein einzigartiger Fortbestand des Lebens von vor 300 Millionen Jahren bis hin zu jenem vor lediglich 30 Millionen Jahren geherrscht haben musste. Wie weit dieser Fortbestand über das Oligozän hinaus angedauert hatte, als der Hohlraum von der Außenwelt abgeschnitten worden war, entzog sich natürlich jeder Mutmaßung. Auf alle Fälle musste die vernichtende Eiszeit des Pleistozäns vor gut 500.000 Jahren – die Spanne nur eines Tages, verglichen mit dem Alter dieser Höhle – das Ende all der frühzeitlichen Lebensformen bedeutet haben, denen es in einem begrenzten Gebiet gelungen war, die normale Daseinsfrist ihrer Spezies zu überdauern.
Lake ließ es nicht bei dieser ersten Nachricht bewenden, er schrieb eine weitere Meldung, die er durch den Schnee ins Lager bringen ließ, bevor Moulton zurückkehrte. Danach kam Moulton nicht mehr vom Funkgerät in einem der Flugzeuge weg; vielmehr musste er mir – und ebenso der Arkham zur Übermittlung an die Außenwelt – die ständigen Ergänzungen durchgeben, die Lake ihm durch eine Reihe von Boten zutragen ließ.
Wer die Zeitungsberichte verfolgt hat, wird sich an das Aufsehen unter den Wissenschaftlern erinnern, das diese nachmittäglichen Berichte auslösten – Berichte, die schließlich, nach all den Jahren, zu der Zusammenstellung ebenjener Starkweather-Moore-Expedition führten, die ich so verzweifelt von ihren Vorhaben abzubringen versuche.
Am besten gebe ich die Berichte in Lakes Wortlaut wieder, so wie er sie abfasste und unser Lagerfunker McTighe sie aus den Bleistift-Stenogrammen übertrug:
»Fowler macht Entdeckung von äußerster Wichtigkeit in ausgesprengten Sandstein- und Kalksteinfragmenten. Verschiedene deutlich sichtbare, gekritzte dreieckige Abdrücke gleich jenen im azoischen Schiefer, die beweisen, dass Verursacher von vor über 600 Millionen Jahren fast bis zur ausgehenden Jurazeit überlebte, fast ohne morphologische Veränderungen und Abnahme von Durchschnittsgröße, dabei Abdrücke aus Jura
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