Hoffnung ist mehr als ein Wort (Bianca) (German Edition)
1. KAPITEL
„Aua!“, rief Kit Wells und rieb sich den pochenden Hinterkopf.
Ihr war zwar gelungen, einen ihrer teuersten Ohrringe aus Gold unter Travis Callahans Schreibtisch hervorzufischen. Aber sie hatte sich zu früh aufgerichtet und war dabei an die Tischkante gestoßen.
Sie kniete noch immer auf dem Fußboden, als sich die Bürotür öffnete. Zwischen den Sternen, die vor ihren Augen flimmerten, sah sie auf Hochglanz polierte schwarze Schuhe und lange Beine in einer schwarzen Anzughose. Sie hob den Blick zum schwarzen Jackett, dem gestärkten weißen Hemd und zur rot gestreiften Krawatte.
Kit schluckte schwer, bevor sie den Mut aufbrachte, das Objekt zu Ende zu mustern. Kurz geschnittenes dunkles Haar, markante Gesichtszüge und Augen in der Farbe von frisch gemahlenem Kaffee machten es amtlich: Der Mann sah umwerfend aus. Sogar noch attraktiver als beim letzten Besuch in ihrer Heimatstadt IdaBelle Falls – dreizehn Jahre war das her.
„Oh, hi!“, murmelte sie mit einem vorsichtigen Lächeln. „Erinnerst du dich an mich? Ich bin Kit. Das Mädchen, das du … na ja, du weißt schon, im Garten deiner Großmutter, unter dem Maulbeerbaum …“
Am liebsten hätte sie sich gegen den bereits schmerzenden Kopf gehauen zur Strafe, weil sie ausgerechnet diese dumme Geschichte zur Sprache brachte. Travis hatte ihr zwar das Herz gebrochen, als er nach Chicago zurückgegangen war. Aber seine technisch ausgereiften Liebkosungen zählten noch immer zu ihren schönsten Erinnerungen auf diesem Gebiet.
Er hatte sogar Brad Foley übertroffen – den zweitklassigen Schauspieler, der ihrem angeknacksten Herzen schließlich den Rest gegeben hatte. Aber das war eine ganz andere Geschichte, die sie besser schnell wieder vergessen wollte.
Inzwischen war Kit mit Levi Petty verlobt, dem Besitzer der Eisenwarenhandlung vor Ort. Was ihm an erotischem Magnetismus fehlte, machte er durch gute alte Familientradition, Wertvorstellungen und Beständigkeit hinreichend wett.
„Brauchst du Hilfe?“
„Ja bitte.“ Sie nahm Travis’ Hand, nur um dies sofort zu bereuen. Es darf nicht wahr sein, dass die Funken immer noch so intensiv überspringen wie damals!? Damals war ich noch ein schlaksiger Teenager und er schon genauso attraktiv wie heute …
Beide Feststellungen schienen vollkommen unangebracht angesichts der Tatsache, wegen welcher wichtigen Sache sie den ganzen Weg von IdaBelle Falls nach Chicago gekommen war. Sie ließ sich von Travis vom Boden hochziehen und riss die Hand zurück, sobald sie wieder auf ihren Flipflops stand.
Nie zuvor hatte sie sich so sehr gewünscht, ebenso vornehm und elegant auszusehen wie jene Frauen, die ihr in dem Bürogebäude begegneten. Sie war jedoch nur als Überbringerin einer Nachricht gekommen und wollte schon am Nachmittag nach Hause zurückfliegen. Also war es ihr sinnlos erschienen, anderweitig benötigtes Geld für ein Outfit auszugeben, um es dann nur ein einziges Mal zu tragen.
„Danke.“ Sie zupfte sich den engen braunen Rock zurecht, bevor sie ihr lockiges dunkles Haar richtete, das sich aus der Spange gelöst hatte.
„Keine Ursache. Und ja, ich erinnere mich an dich und den Maulbeerbaum. Meine Schwester spricht oft von dir – zumindest dann, wenn sie mir nicht von den Meisterleistungen vorschwärmt, die meine kleine Nichte gerade vollbringt.“
Das Lächeln, das er ihr beim Erzählen schenkte, hätte umwerfend wirken können. Doch es schloss seine Augen nicht mit ein. Laut seiner Schwester konnte sich Travis nicht mehr so richtig freuen, seit er den Posten als Direktor von Rose Industries übernommen hatte.
Eine tiefe Trauer befiel Kit bei dem Gedanken an seine Schwester – ihre eigene beste Freundin seit vielen Jahren. Ihm die Hiobsbotschaft persönlich zu überbringen, war zwar sicherlich die richtige Entscheidung, aber es fiel ihr dennoch ungeheuer schwer.
„Würdest du mir bitte erklären, welche Spaßaktion meiner Schwester dich veranlasst hat, in meinem Büro zu campieren?“
Tapfer blinzelte sie die Tränen fort, die ihr in den Augen brannten. Sie musste stark sein. Für Travis und für Libby, seine entzückende Nichte. „Ganz einfach.“ Sie atmete tief durch. „Wir müssen reden.“ Sie rang die Hände. „Und es ist eines von diesen Gesprächen, die man am besten persönlich führt.“
„Das erscheint sinnvoll“, murmelte er sarkastisch und sah sich um, wie wenn er erwartete, dass jede Sekunde jemand auftauchte und rief: Überraschung ! „Also?
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