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Chronik eines angekuendigten Todes

Chronik eines angekuendigten Todes

Titel: Chronik eines angekuendigten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Neugierde, der Gehilfe fiel in Ohnmacht, und Oberst Lázaro Aponte, der so viele Massaker der Repression erlebt und verursacht hatte, war seitdem nicht nur Spiritist, sondern auch noch Vegetarier. Die leere, mit Lumpen und Ätzkalk ausgestopfte und mit grobem Bindfaden und Packnadeln lieblos zusammengeflickte Hülle zerfiel fast, als wir sie in den neuen seidengepolsterten Sarg legten. »Ich dachte, so würde der Leichnam sich länger halten«, sagte Pater Amador zu mir. Das Gegenteil trat ein: Wir mussten ihn eilends im Morgengrauen beerdigen, denn er war in so schlechtem Zustand, dass er im Haus nicht länger zu ertragen war.
    Ein trüber Dienstag brach an. Ich fand nicht den Mut, mich nach Ende des bedrückenden Tages allein schlafen zu legen, und drückte gegen die Tür zu María Alejandrina Cervantes’ Haus, für den Fall, dass sie den Riegel nicht vorgeschoben hatte. Die Lampions waren in den Bäumen angezündet, und im Patio auf dem Tanzboden brannten mehrere Holzfeuer unter riesigen dampfenden Kochtöpfen, in denendie Mulattinnen ihre Flitterkleider trauerschwarz färbten. Ich fand María Alejandrina Cervantes wie immer bei Tagesanbruch wach, und wie immer, wenn keine Fremden im Hause waren, gänzlich nackt. Sie saß im Türkensitz auf ihrem Königinnenbett vor einer babylonischen Platte mit Essen: Kalbskoteletts, gekochtes Huhn, Schweinelende und als Beilage Gemüse und Bananen, die für fünf gereicht hätten. Maßlos zu essen war für sie immer die einzige Art des Weinens gewesen, und nie hatte ich sie dies mit solchem Gram tun sehen. Ich legte mich angezogen neben sie, sprach kaum und weinte ebenfalls auf meine Weise. Ich dachte an Santiago Nasars grausames Schicksal, das ihn für zwanzig Jahre Glück nicht nur mit dem Tod hatte bezahlen lassen, sondern auch noch damit, dass sein Leib zerstückelt, verstreut und vernichtet wurde. Ich träumte, eine Frau trete ins Zimmer, ein kleines Mädchen auf dem Arm, und dieses zerknabbere, ohne Luft zu holen, Maiskörner, die halbgekaut in sein Leibchen fielen. Die Frau sagte zu mir: »Es kaut auf Teufel komm raus, ein bisschen schlampig, ein bisschen pampig.« Plötzlich spürte ich begehrliche Finger mein Hemd aufknöpfen, spürte den gefährlichen Geruch der Liebesbestie, die sich an meinen Rücken schmiegte, und versank voller Wonne im Treibsand ihrer Zärtlichkeit. Doch mit einem Mal hielt sie inne, hustete von weither und zog sich von
mir zurück.
    »Ich kann nicht«, sagte sie, »du riechst nach ihm.«
    Nicht nur ich. Alles roch an jenem Tage nach Santiago Nasar. Die Brüder Vicario rochen ihn in der Zelle, in die sie der Bürgermeister gesperrt hatte, solangeer überlegte, was er mit ihnen machen sollte. »Ich konnte mich noch so sehr mit Seife und Strohwisch schrubben, ich wurde den Geruch nicht los«, sagte Pedro Vicario zu mir. Sie hatten drei Nächte nicht geschlafen und konnten dennoch keine Ruhe finden, denn sobald sie einnickten, verübten sie von neuem das Verbrechen. Als er, schon ziemlich alt, mir seinen Zustand an jenem endlos langen Tag erklären wollte, sagte Pablo Vicario ohne viel zu überlegen: »Es war, als wäre man zweimal wach.« Dieser Satz brachte mich auf den Gedanken, das klare Bewusstsein müsse in der Zelle für sie das Unerträglichste gewesen sein.
    Der Raum war drei Meter im Quadrat, hatte weit oben ein vergittertes Oberlicht, und es gab eine tragbare Latrine, ein Waschgestell mit Schüssel und Krug sowie zwei gemauerte Betten mit Schilfmatratzen. Oberst Aponte, zu dessen Amtszeit das Gefängnis erbaut worden war, sagte, ein humaneres Hotel als dieses hätte es nie gegeben. Mein Bruder Luis Enrique stimmte dem zu, denn eines Nachts, als er wegen eines Streits unter Musikanten eingesperrt worden war, hatte der Bürgermeister aus Barmherzigkeit gestattet, dass eine der Mulattinnen ihm Gesellschaft leistete. Vielleicht waren die Brüder Vicario ähnlicher Meinung, als sie sich um acht Uhr morgens vor den Arabern sicher fühlen konnten. Zu diesem Zeitpunkt tröstete sie ihr Nimbus, dem eigenen Gesetz Genüge getan zu haben, und ihre einzige Sorge war der hartnäckige Geruch. Sie baten um reichlich Wasser, Kernseife und Strohwische und wuschen sich das Blut von Armen und Gesicht, wuschen auch ihre Hemden, konnten jedoch keine Ruhe finden. Pedro Vicario batzudem um seine Spülungen und harntreibende Mittel sowie um eine sterile Mullbinde, damit er seinen Verband erneuern konnte, und vermochte so zweimal im Verlauf des Vormittags zu

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