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Chronik eines angekuendigten Todes

Chronik eines angekuendigten Todes

Titel: Chronik eines angekuendigten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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sich wie bei den Paraden auf dem Platz postiert. Alle sahen ihn herauskommen, und alle begriffen, dass er bereits wusste, man würde ihn töten, und so verstört war,dass er nicht den Weg nach Hause fand. Es heißt, jemand habe von einem Balkon geschrien: »Nicht dort lang, durch den alten Hafen, Türke.« Santiago Nasar suchte die Stimme. Yamil Shaium schrie ihm zu, er solle in seinen Laden kommen, und lief selbst hinein, um seine Jagdflinte zu holen, wusste aber nicht mehr, wo er die Patronen versteckt hatte. Von allen Seiten begannen sie ihm zuzuschreien, und Santiago Nasar lief im Kreis, drehte und wendete sich, so verwirrt war er von all den gleichzeitigen Rufen. Offensichtlich wollte er sein Haus durch die Küchentür betreten, doch plötzlich wurde ihm wohl bewusst, dass die Haupttür nicht abgeschlossen war.
    »Da kommt er«, sagte Pedro Vicario.
    Beide hatten ihn gleichzeitig gesehen. Pablo Vicario zog die Jacke aus, legte sie auf den Hocker und wickelte das krummsäbelförmige Messer aus. Bevor sie den Laden verließen, schlugen beide, ohne sich vorher abgestimmt zu haben, das Kreuz. Jetzt packte Clotilde Armenta Pedro Vicario am Hemd und schrie Santiago Nasar zu, er solle rennen, denn sie würden ihn töten. Es war ein so verzweifelter Schrei, dass er die anderen zum Verstummen brachte. »Zunächst erschrak er«, sagte Clotilde Armenta zu mir, »weil er nicht wusste, wer da schrie und von wo.« Doch als er sie sah, sah er auch Pedro Vicario, der sie gerade zu Boden stieß und seinem Bruder nachlief. Santiago Nasar war keine fünfzig Meter von seinem Haus entfernt und rannte auf die Haupttür zu.
    Fünf Minuten zuvor hatte Victoria Guzmán Plácida Linero in der Küche erzählt, was bereits alle Welt wusste. Plácida Linero war eine Frau mit gutenNerven, daher ließ sie sich keine Beunruhigung anmerken. Sie fragte Victoria Guzmán, ob sie etwas zu ihrem Sohn gesagt habe, und diese log bewusst, denn sie erwiderte, sie habe noch nichts gewusst, als er zum Kaffeetrinken heruntergekommen sei. Im Wohnzimmer, wo sie noch immer den Fußboden wischte, sah Divina Flor gleichzeitig, dass Santiago Nasar durch die Tür zur Plaza hereinkam und die Schiffsleiter zu den Schlafzimmern hinaufstieg. »Es war eine deutliche Vision«, erzählte mir Divina Flor. »Er trug den weißen Anzug und hatte etwas in der Hand, das ich nicht gut sehen konnte, aber es sah aus wie ein Rosenstrauß.« Also beruhigte Divina Flor Plácida Linero, als diese nach dem Sohn fragte.
    »Er ist vor einer Minute hinaufgegangen«, sagte sie.
    Nun sah Plácida Linero den Umschlag auf dem Fußboden, dachte aber nicht daran, ihn aufzuheben, und erfuhr seinen Inhalt erst, als jemand ihr im chaotischen Verlauf der Tragödie später den Zettel zeigte. Durch die Tür sah sie die Brüder Vicario, die mit den blanken Messern auf das Haus zugerannt kamen. Von ihrem Standort aus konnte sie die beiden sehen, nicht aber ihren Sohn, der aus einer anderen Richtung auf die Tür zurannte. »Ich dachte, sie hätten vor, ihn im Haus zu töten«, sagte sie zu mir. Daher lief sie zur Tür und schlug sie zu. Sie schob gerade den Riegel vor, als sie Santiago Nasars Schreie hörte und seine panischen Faustschläge gegen die Tür, aber sie glaubte, er sei oben und beschimpfe die Brüder Vicario vom Balkon seines Schlafzimmers aus. Sie stieg hinauf, um ihm beizustehen.

    Santiago Nasar hätte nur noch wenige Sekunden gebraucht, um ins Haus zu gelangen, als sich die Tür schloss. Er konnte gerade noch mehrmals dagegen hämmern, dann wandte er sich um und stellte sich mit bloßen Händen seinen Feinden. »Ich erschrak, als ich ihn von vorne sah«, sagte Pablo Vicario zu mir, »denn er wirkte zweimal so groß, wie er wirklich war.« Santiago Nasar hob die Hand, um den ersten Schlag Pedro Vicarios zu parieren, der ihn von der rechten Flanke mit dem geraden Messer angriff.
    »Hurensöhne«, schrie er.
    Das Messer durchbohrte die rechte Hand, dann grub es sich bis zum Heft in seine Seite. Alle hörten den Schmerzensschrei.
    »Ach, Mutter!«
    Pedro Vicario zog das Messer mit rohem Schlachtergriff wieder heraus und versetzte Santiago Nasar fast an der gleichen Stelle einen zweiten Stich. »Merkwürdig war, dass das Messer sauber herauskam«, erklärte Pedro Vicario dem Untersuchungsrichter. »Ich hatte mindestens dreimal zugestoßen, und es kam kein Tropfen Blut.« Santiago Nasar krümmte sich nach dem dritten Messerstich, verschränkte die Arme über dem Bauch, gab einen Klagelaut

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