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Chronik eines angekuendigten Todes

Chronik eines angekuendigten Todes

Titel: Chronik eines angekuendigten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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gekostet hatte«, sagte sie zu mir. Cristo Bedoya, der bei ihnen stand, nannte Zahlen, die das Staunen noch steigerten. Er hatte mit Santiago Nasar und mir bis kurz vor vier Uhr gefeiert, war aber nicht zum Schlafen in sein Elternhaus gegangen, sondern hatte sich im Haus der Großeltern verplaudert. Dort hatte er viele Angaben erhalten, die ihm für die Kostenrechnung des Festes noch fehlten. Er erzählte, für die Gäste seien vierzig Puter und elf Schweine geschlachtet worden sowie vier Kälber, die der Bräutigam auf dem Dorfplatz für das Volk braten ließ. Er erzählte weiter, zweihundertundfünf Kisten mit geschmuggeltem Alkohol seien geleert und fast zweitausend Flaschen Rum unter die Menge verteilt worden. Jeder arme oder reiche Mann im Ort habe auf irgendeine Weise an dem rauschendsten Fest teilgenommen, welches das Dorf je erlebt habe. Santiago Nasar träumte laut:
    »So wird meine Hochzeit«, sagte er. »Das Leben der Leute wird nicht lang genug sein, um davon zu erzählen.«
    Meine Schwester fühlte einen Engel vorübergehen. Noch einmal dachte sie an das große Glück der Flora Miguel, die so vieles im Leben besaß und zu Weihnachten dieses Jahres auch noch Santiago Nasar besitzen würde. »Mit einem Mal wurde mir bewusst, es gab keine bessere Partie als ihn«, sagte sie zu mir. »Stell dir vor: schön, wohlerzogen und mit einundzwanzig Jahren ein eigenes Vermögen.« Sie pflegte ihn zum Frühstück zu uns einzuladen, wenn es Yuccapasteten gab, und meine Mutter war an jenem Morgen geradedabei, welche zu machen. Santiago Nasar sagte begeistert zu.
    »Ich ziehe mich um und komme nach«, sagte er und stellte fest, dass er seine Uhr auf dem Nachttisch liegen gelassen hatte. »Wie spät ist es?«
    Es war sechs Uhr fünfundzwanzig. Santiago Nasar griff nach Cristo Bedoyas Arm und wandte sich zur Plaza.
    »In einer Viertelstunde bin ich bei dir zu Hause«, sagte er zu meiner Schwester.
    Sie beharrte darauf, unverzüglich zusammen mit ihm aufzubrechen, das Frühstück stehe auf dem Tisch. »Es war ein seltsames Beharren«, sagte Cristo Bedoya zu mir. »So seltsam, dass ich bisweilen dachte, Margot habe bereits gewusst, dass er getötet werden sollte, und ihn daher bei euch verstecken wollen.« Santiago Nasar überredete sie jedoch vorauszugehen, während er sein Reitzeug anziehe, denn er müsse rechtzeitig im »Göttlichen Antlitz« zum Kastrieren von Kälbern sein. Er verabschiedete sich von ihr mit dem gleichen Winken, mit dem er seine Mutter verlassen hatte, und entfernte sich, bei Cristo Bedoya eingehakt, in Richtung Plaza. Das war das letzte Mal, dass sie ihn sah.
    Viele der im Hafen Versammelten wussten, dass Santiago Nasar getötet werden sollte. Don Lázaro Aponte, Oberst der Kriegsakademie im wohlverdienten Ruhestand und seit etwa elf Jahren Bürgermeister der Gemeinde, schnippte ihm einen Fingergruß zu. »Ich hatte gute Gründe anzunehmen, dass er keinerlei Gefahr mehr lief«, sagte er zu mir. Auch Pater Carmen Amador hegte keinerlei Besorgnis. »Als ich ihnso gesund und munter sah, dachte ich, das Ganze sei eine Ente gewesen«, sagte er zu mir. Niemand fragte sich, ob Santiago Nasar gewarnt worden sei, weil es allen unmöglich schien, dass dies nicht der Fall sein könnte.
    Tatsächlich war meine Schwester Margot eine der wenigen Personen, die noch immer nicht wussten, dass er getötet werden sollte. »Hätte ich es gewusst, ich hätte ihn zu mir nach Hause geschleppt, notfalls gefesselt«, erklärte sie dem Untersuchungsrichter. Es war sonderbar, dass sie es nicht wusste, doch viel sonderbarer war, dass auch meine Mutter es nicht wusste, denn sie erfuhr alles früher als alle anderen im Haus, obwohl sie es seit Jahren nicht mehr verließ – nicht einmal mehr zur Messe. Ich wusste diese Gabe zu schätzen, seit ich früh aufstehen musste, um in die Schule zu gehen. Ich sah sie, blass und leise, wie immer in jenen Zeiten, im aschgrauen Schein des Tagesanbruchs den Innenhof mit einem Reisigbesen fegen, und bei einer Tasse Kaffee erzählte sie mir dann, was in der Welt geschehen war, während wir schliefen. Geheime Fäden schienen sie mit den anderen Leuten im Dorf zu verbinden, besonders mit Menschen ihres Alters, und gelegentlich überraschte sie uns mit vorweggenommenen Nachrichten, die sie nur dank ihrer Hellsicht kennen konnte. An jenem Morgen allerdings ahnte sie nichts von dem Trauerspiel, das sich seit drei Uhr in der Früh anbahnte. Sie hatte den Innenhof fertig gefegt und mahlte, als meine

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