1284 - Templerehre
Es war still geworden. Kein fernes wiehern der Pferde mehr, kein Waffengeklirr, auch kein Rauchgeruch.
Es schien so zu sein, als wären bestimmte Beigaben völlig in den Hintergrund geschoben worden.
So hatte die Gegenwart schließlich verloren. Es zählte noch das, was einmal geschehen war.
Der Mann verließ das Gebüsch mit schleichenden Schritten. Er war mit einem Schwert bewaffnet, aber er hatte keine Kampf-und Schutzkleidung übergestreift. Er trug weder eine Rüstung noch einen Helm, und kein Panzer aus Eisen schützte seine Brust. Es war zu erkennen, das der hochgewachsene Kämpfer beweglich bleiben und sich auch möglichst lautlos bewegen wollte.
Noch immer steckte die Vorsicht in ihm. Er trat nicht zu weit aus dem Schutz der alten und krumm gewachsenen Bäume ins Freie, sondern blieb nach wenigen Schritten stehen, um sich umzuschauen.
Dabei gab es keine Hektik. Jede seiner Bewegungen hielt er unter Kontrolle.
Der leichte Wind fuhr in das blonde Haar hinein, das ziemlich lang wuchs. Er spielte mit den Strähnen, und als der Kämpfer seinen Kopf bewegte und sichernd in die Runde schaute, waren seine Lippen fest zusammengepresst.
Dieser Mensch, der so plötzlich und dennoch vorsichtig erschienen war, hörte auf den Namen Godwin de Salier. Es war der Godwin de Salier aus der Vergangenheit, der allerdings von dem Godwin de Salier aus der Zukunft beobachtet wurde.
Er war nicht wiedergeboren worden, wie es eigentlich »normal« und erklärbarer hätte sein können, nein, beide Männer waren ein und dieselbe Person, auch wenn einer von ihnen im Strom der Zeiten verschwunden war und dem Mann aus der Vergangenheit das Feld hatte überlassen müssen.
De Salier entspannte sich wieder. Es war zu sehen, das er aufatmete und das angehobene Schwert wieder nach unten sank. Die Klinge berührte den Boden. Er bewegte die Schneide, und auf dem Untergrund blieb ein Streifen zurück.
Seine Vorsicht hatte der Kämpfer nicht aufgegeben. Er schaute in die Höhe, um das dichte Laub der Bäume durchdringen zu können. Es konnte durchaus sein, das sich seine Feinde dort versteckt hielten, aber es blieb über ihm ruhig. Da passierte nichts, und er wurde auch nicht plötzlich aus einem Hinterhalt heraus angegriffen. Es war die berühmte Ruhe vor dem Sturm, die Godwin de Salier dennoch nicht beruhigte, denn er fasste den Griff seines Schwerts fester und hob die Waffe wieder an.
Er war ein Suchender. Einer, der nach einem Ziel Ausschau hielt, weil es für ihn so immens wichtig war, aber man gab ihm nicht die Chance, etwas zu entdecken, denn die Umgebung um ihn herum schwieg sich einfach aus.
Nach einer Weile entspannte er sich. Er schleuderte dann mit einer entschlossen wirkenden Bewegung sein blondes Haar zurück und machte sich auf den weiteren Weg.
Hier war für ihn keinesfalls Schluss. Er hatte eine Aufgabe übernommen, die er durchziehen musste bis zum bitteren Ende. Wenn er jetzt keinen Erfolg erreichte, konnte das böse Folgen haben. Nicht grundlos hatte man ihn in den nördlichen Teil Frankreichs geschickt, um hier ein Zeichen zu setzen.
Der Weg bereitete ihm keine großen Probleme, was wirklich nicht überall der Fall war. Der Wald von Jauniere, im tiefen Flusstal der Orne, war bei den einfachen Menschen verschrien. Man fürchtete sich davor, ihn zu betreten, und in der Dunkelheit wagte sich erst recht keiner hinein.
Es gab Orte, die auch beim hellsten Schein der Sonne nie richtig hell waren, weil die Gewächse einfach zu dicht standen und die zahlreichen Bäche und kleinen Seen immer Feuchtigkeit absonderten, die als Dunst durch die manchmal dschungelartige Gegend schwebte.
Bisher hatte der Templer Godwin de Salier es noch recht leicht gehabt. Wenig später änderte sich dies, als er den lichtungsartigen Fleck verließ und regelrecht in den Wald hinein tauchte, der ihn schluckte wie nach einem heftigen Atemzug.
Der Wald war dicht. Er war dunkel. Seine Farben bestanden aus verschiedenen Grüntönen, die nur hin und wieder von den gelblichen Sonnenflecken durchbrochen wurden.
Es war eine märchenhafte, legendenträchtige, aber auch gefährliche Welt. Wer sich hier auskannte, der schaffte es, einen perfekten Hinterhalt zu legen.
De Salier konnte nicht normal gehen. Er musste schleichen und immer wieder Bögen schlagen, um aus der Erde ragende Hindernisse zu umgehen.
Uralte Bäume wuchsen nicht nur senkrecht und krumm in die Höhe. Nein, es gab auch welche, die der Sturm gefällt hatte und die quer im Weg lagen,
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