Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
verraten.«
»Doch, Herr. Vertraut mir im Namen unseres Gottes und der Dinge, die uns heilig sind.« Cathbar zeigte auf die Offiziere der Wächter. »Diese Männer dienen Orgrim, nicht Euch.«
Die Offiziere hielten sich weiterhin abseits, doch der Wortwechsel hatte Zuhörer angezogen. Eine Menge neugieriger Städter hatte sich um den König und Cathbar versammelt. Auch einige Wächter, die am Rand des Platzes auf und ab marschierten, eilten herbei. Vor den Augen der Menge wandte König Beotrich sich an die schwarz gekleideten Offiziere.
»Ich ernenne Cathbar hiermit zum Befehlshaber meiner Leibgarde und beauftrage ihn, den Ratsherrn Orgrim zu mir zu bringen.« Er sah Cathbar bekümmert an. »Ihr dient mir schon lange, Cathbar«, sagte er leise. »Gebe Gott, dass Ihr mich nicht anlügt.«
Cathbar erwiderte seinen Blick unerschrocken. »Ich bürge Euch dafür mit meinem Leben.«
Der König nickte.
Einen kurzen Moment lang herrschte Stille, dann setzte aufgeregtes Murmeln ein, das rasch anschwoll. Die Offiziere wechselten bestürzte Blicke. Die Wächter im Rücken der Menge entfernten sich.
Cathbar zog einen Siegelring vom Finger und hielt ihn Cluaran hin. »Geht zum Wachhaus hinter der Halle des Königs, fragt nach einem Soldaten namens Alberd und zeigt ihm diesen Ring. Sagt ihm, er solle sofort meine Leute zusammenrufen und mit ihnen hierherkommen. Bewaffnet.«
Adrian wechselte einen Blick mit Elsa. Cluaran ließ sich nicht gern wie ein Dienstbote herumkommandieren! Doch der Sänger nickte nur, nahm den Ring und eilte los.
Cathbar wandte sich an die Menge. Die Menschen wussten nicht, was geschehen war. Sie hatten Angst und wurden immer unruhiger. Es kam bereits zu kleineren Handgemengen mit fliehenden Wächtern. Einige beschuldigten sie der Zauberei.
»HÖRT MICH AN!«, brüllte Cathbar.
Er brachte die Menschen mit ausgebreiteten Armen zum Schweigen. »Euer König hat gesprochen. Die Wächter haben in der Stadt und im ganzen Königreich nichts mehr zu bestimmen.« Beifälliges Geschrei brach aus. »Ich befehlige jetzt die Leibwache des Königs«, fuhr Cathbar fort. »Und ich gebe hiermit bekannt: Wer einem anderen etwas zuleide tut, und sei es einem Wächter, der wird gehängt! Auch wage es keiner, sich an einer Frau zu vergreifen!«, fügte er hinzu. Polternd fielen Pflastersteine zu Boden und Spaten und Stöcke wurden gesenkt.
»Und Ihr, Herr, habt etwas wiedergutzumachen«, sagte Cathbar zum König. »Der Junge hier ist tatsächlich Adrian, Heoreds Sohn. Er und seine zwei Gefährten haben Euch einen großen Dienst erwiesen.«
Beotrich verbeugte sich tief vor Adrian. »Ich habe Euch schweres Unrecht getan, Herr. Nehmt dafür bitte wenigstens meine Gastfreundschaft an. Doch sagt: Was für einen Dienst habt Ihr uns erwiesen?«
Adrian wollte antworten, doch Cathbar kam ihm zuvor. »Es betrifft Orgrim«, sagte er kurz. »Meine Leute werden ihn zu Euch bringen. Doch vorher muss ich Euch noch etwas zeigen.«
Cathbar und Cluaran wurden in das Ratszimmer Beotrichs gerufen, wo sie den Ratsherren das Zauberbuch zeigen sollten, und Adrian blieb mit Elsa allein in der großen Halle zurück. Eine Zeit lang schwiegen sie beide. Elsa war noch bleich und die Schnitte auf ihrem Arm sahen schwarz und hässlich aus.
»Ich muss dir etwas gestehen, Elsa«, sagte Adrian schließlich widerstrebend. »Es hat mit Orgrim zu tun.«
»Er ist dein Onkel?«
Adrian sah sie erschrocken an. »Woher weißt du …?«
»Er hat es mir gesagt.«
»Tut mir leid.« Adrian verstummte.
»Weshalb?«, fragte Elsa. »Du hast mich vor ihm gerettet, Adrian! Orgrims Verbrechen haben doch nichts mit dir zu tun.«
Aber Adrian starrte sie nur düster an. Er hatte dieselbe Gabe wie Orgrim und war mit ihm verwandt. Wenn der Makel des Zauberers ihn nun schon befallen hatte wie ein Wurm einen Apfel? Mehr denn je sehnte er sich danach, nach Hause zu seiner Mutter zurückzukehren. Doch wie sollte er ihr sagen, was aus ihrem geliebten Bruder geworden war?
Cluaran kam gut gelaunt aus dem Ratszimmer. »Man hat uns begnadigt«, sagte er. »Das Todesurteil für dich wurde zerrissen, Adrian.«
»Wie konntet Ihr die Ratsherren davon überzeugen, dass ich keine Hexe bin?«, fragte Elsa neugierig. »Sie sahen das Schwert aus meiner Hand wachsen!«
Das Gesicht des Sängers blieb unbewegt. »Der Rat des Königs von Wessex weiß viel«, sagte er vorsichtig. »Einige Ratsherren wissen ganz genau, um was für ein Schwert es sich handelt und woher es kommt.
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