Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
ihrem Namen. Ioneth, riefen die Stimmen leise, Ioneth, komm zu uns … Das ganze Wasser war voll von ihnen, bis in die tiefsten Tiefen …
Hände packten Elsa und zogen sie zurück. Das Schwert flackerte und erlosch. Elsa stolperte, stieß mit Fritha und Adrian zusammen und setzte sich unsanft in den Schnee.
»Was soll das?«, wollte Adrian wissen. »Du wärst beinahe hineingefallen.«
»Habt ihr nichts gehört …?« Die anderen starrten sie an und sie verstummte. Adrian schien verwirrt und besorgt, Cathbar ärgerlich.
Nur Fritha war beunruhigt. »Was hast du denn gehört?«, fragte sie ängstlich.
Elsa zögerte und sah verstohlen auf das Eisloch. Das Wasser war schwarz und spiegelglatt. »Nichts«, sagte sie nach einer Weile. »Ich hatte nur Angst, das Eis könnte brechen.«
Fritha schien ihr nicht zu glauben, stellte aber keine weiteren Fragen. Sie zog eine dünne Angelrute aus ihrem Bündel und setzte sich an das Loch, um zu fischen. Adrian sah ihr dabei zu, Cathbar kümmerte sich um das Feuer. Elsa wandte sich ab und versuchte sich zu beruhigen und ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte gelogen. Aber Cathbar hätte ihr sowieso nicht geglaubt, redete sie sich ein, und Adrian hätte ihr Erlebnis wahrscheinlich für einen Traum gehalten. Und Fritha … Fritha hätte ihr geglaubt und sich geängstigt. Bestimmt war, was sie gesehen hatte, gar nicht so wichtig und völlig ungefährlich. Worum handelte es sich eigentlich? Um Frithas böse Geister?
Sie hatte angefangen, am Ufer entlangzugehen, als könne Bewegung ihre Verwirrung lindern. Die Sonne stand tief über dem Horizont und die kleinen Feuer am Ufer leuchteten in der einfallenden Dämmerung. Ruhelos marschierte sie weiter. Fritha glaubt an Geister unter dem Eis – aber sie hat sie nicht gesehen. Ich habe sie gesehen und sie haben mich gerufen. Warum? Und was bedeutete der Name, mit dem die Wesen sie gerufen hatten? Ioneth klang irgendwie vertraut, doch sie konnte sich nicht erinnern, ihn schon einmal gehört zu haben.
»Thu, myrk-har! «
Elsa zuckte zusammen. Die tiefe Stimme ließ sie an Frithas Vater Grufweld denken. Verwirrt sah sie sich nach ihm um. Doch der Sprecher hatte sie nicht mit ihrem Namen angesprochen, sondern mit myrk-har, Schwarzhaar – und seine Stimme klang nicht freundlich wie die von Grufweld.
Erst jetzt stellte sie fest, dass sie eine längere Strecke gelaufen war und sich den Zelten der Fischer genähert hatte. Drei große, bärtige Männer in dicken Pelzen standen vor ihr. Der größte sagte wieder etwas, doch verstand sie ihn zunächst nicht. Es hatte mit Feuer zu tun. Als sie nicht antwortete, sagte er es noch einmal. Er klang verächtlich, als spreche er mit einer Idiotin. Er schwankte leicht, stellte sie fest, als habe er zu viel Bier getrunken.
»Du bist hier fremd – du darfst nicht in unserem See fischen. Aber Olafr hier sagt, du hättest einen Feuerstab, mit dem du das Eis schneidest.«
Der zweite Mann nickte grinsend und zeigte dabei schwarze Zähne. »Er brannte weiß, nicht rot«, sagte er. »Und er schnitt durch das Eis wie durch Rentierfett!«
»Wir machen dir also ein Angebot«, sagte wieder der erste. »Gib uns den Feuerstab und ihr dürft in unserem See fischen.«
Er klang harmlos, aber sie hatte Männer wie ihn schon in verschiedenen Häfen erlebt. »Angebot« bedeutete bei ihnen: Gib mir, was du hast, dann tu ich dir vielleicht nichts. Ihr Vater war mit ihnen fertig geworden, ohne dass es zu Tätlichkeiten kam, aber er war auch ein erwachsener Mann gewesen und genoss als Kapitän Respekt. Elsa spürte, wie Funken ihren rechten Arm entlangschossen und das Schwert aus ihrer Hand fahren wollte. Nein! ,dachte sie heftig. Wenn sie dich jetzt sehen, bekommen wir erst recht Schwierigkeiten. Doch der dritte Mann, der so breit war wie ein Haus, versperrte ihr den Rückweg zu ihren Gefährten.
»Ich verstehe nicht, was ihr meint!«, sagte sie, so laut sie konnte. Vielleicht hörten Cathbar und die anderen sie – zu sehen waren sie hinter den breiten Schultern des Mannes nicht. »Mein … mein Vater hat ein Schwert. Damit haben wir das Eis aufgehackt.«
Der erste Mann lachte laut und machte einen Schritt auf sie zu. »Olafr hat etwas anderes gesehen«, sagte er. »Er sagt, du hättest den Stab. Und wenn dein Vater ein Schwert hat …« Er zog das lange Messer an seinem Gürtel halb heraus. Olafr neben ihm folgte mit einem hämischen Kichern seinem Beispiel. »Aber wir wollen doch nicht kämpfen. Du bist nur ein
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