Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
Cluaran ruhig. »Es war ihre Entscheidung, nicht meine.« Doch er sah an Erlingrs Blick, dass der Alte ihm niemals glauben würde. Die Angehörigen des Eisvolkes lauschten dem Gespräch aufmerksam, doch Cluaran wusste, dass er sie vorerst nicht überzeugen konnte. Er konnte nur möglichst schnell gehen – wenn man ihn gehen ließ.
Jemand anders sprach und er war im ersten Moment verwirrt, eine andere Stimme als seine oder die Erlingrs zu hören. Es war Ari. Seine Stimme klang bedächtig und rau. »Es war ihre Entscheidung. Und einige von uns achten und lieben sie trotzdem. Um ihretwillen werde ich Cluaran begleiten, Erlingr, wenn Ihr es erlaubt.«
Erlingr blickte in düsterem Schweigen auf die beiden hinab. Dann kehrte er ihnen abrupt den Rücken zu und stapfte zu seinem Sessel zurück, das Gesicht seinen bleichen Gefolgsleuten zugewandt. Er hob seinen Stab, worauf alle aufstanden und ihn schweigend ansahen.
»Der Mann mag gehen!«, rief er donnernd. »Um der Freundschaft willen, die uns einst verband, will nicht ich es sein, der ihn tötet. Doch seines Verrats wegen gehe er ohne Hilfe und Beistand. Lasst ihn also ziehen und sprecht nicht mit ihm.«
Der Alte wandte sich ein letztes Mal an Cluaran. »Geht«, sagte er mit schwerer Stimme. »Niemand wird Euch daran hindern. Geht zum Eigg Loki und sterbt dort – allein, es sei denn, dieser Narr will euch tatsächlich begleiten. Doch wird sonst keiner meiner Leute Euch in den Tod folgen.«
Er sank in seinen Sessel, senkte den Kopf und schloss die Augen. Alle anderen warteten stehend. Cluaran ließ den Blick über die dicht geschlossenen Reihen wandern, doch niemand erwiderte ihn. Da wandte er sich ab. Laut hallten seine Schritte durch die Stille. Er hörte, wie Ari ihm folgte. Die Stille folgte ihnen auf dem ganzen Weg durch den Tunnel nach draußen und das Gewicht von fünfhundert Augen lastete auf ihnen.
9. KAPITEL
Das schwarzhaarige Mädchen Ioneth brachte uns zu essen. Sie sagte, sie gehöre nicht Erlingrs Volk an. Ihr eigenes Geschlecht, das Volk der Felsen und des Eises, sei vernichtet worden, als Loki zwölf Jahre zuvor die Länder mit Feuer überzogen habe. Alle verbrannten … mit Ausnahme von Ioneth. Erlingrs Sohn Ingvald fand das Kind, das durch die Asche irrte, und nahm sie wie eine Tochter bei sich auf.
Später führte Ioneth mich zu den Schneefeldern und zeigte mir das Gebirge am Horizont. Es hatte weiße Gipfel, doch in das Weiß mischten sich schwarze Streifen.
»Dort ist der Eigg Loki« , sagte sie, »der Ort, wo der böse Dämon gefesselt liegt, obwohl vielleicht nicht mehr für lange.« Und flüsternd fügte sie hinzu, so leise, dass ich nicht weiß, ob ich sie richtig verstand:
»Ich kann Euch helfen, ihn zu töten.«
»Bitte versuch zu gehen, Elsa!«
Gemeinsam zogen Adrian und Cathbar Elsa hoch, doch ihre Knie knickten immer wieder ein und sie starrte Adrian an, ohne ihn zu erkennen. Wenn wir doch schneller hier gewesen wären! ,dachte er verzweifelt. Das Knacken des Eises klang ihm noch immer in den Ohren. Er war mit Kopf und Armen in das Wasser eingetaucht und hatte versucht, Elsa zu packen, die langsam unter das Eis abtrieb, doch erst als Cathbar eintraf, hatten sie das Mädchen gemeinsam festhalten können.
Waren sie zu spät gekommen? Elsa hatte seit ihrer Rettung aus dem Wasser nichts gesagt und starrte in einem fort auf ihre rechte Hand. Von dem Schwert war nur noch ein schwaches Leuchten übrig. Elsas Lippen waren blau angelaufen, und trotz der Decken, in die ihre Gefährten sie gewickelt hatten, zitterte sie unbeherrscht.
Die Fischer waren inzwischen so nahe gekommen, dass Adrian deutlich einzelne Stimmen unterscheiden konnte. Er verstand zwar keine Worte, hörte aber den drohenden Unterton – und sah die gezogenen Messer. Sie schienen keine Eile zu haben und gingen dicht neben- oder hintereinander, als verfolgten sie ein gefährliches Tier. Ihr Anführer, ein stämmiger Mann mit rotem Bart und schwarzen Zähnen, brüllte etwas. Er klang wütend.
»Sie kennen uns doch gar nicht«, murmelte Adrian, an Cathbar gewandt. »Warum tun sie das?« Doch er wusste die Antwort, noch bevor der Hauptmann ihn mit einem Blick auf Elsas Hand verwies. Sie hatten beide gesehen, wie die Männer über Elsa herfielen und das Schwert in ihrer Hand aufblitzte.
Sie verließen das Eis und gingen über den zertrampelten Schnee, der den Boden bedeckte. Fritha eilte bereits am Seeufer entlang in die Richtung ihres Lagers. Da flog etwas an Adrians
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