Ein sueßes Stueck vom Glueck
1
Sylvain Marquis wusste, was Frauen begehrten: Schokolade. Und so hatte er auf dem Weg zum Erwachsenen gelernt, wie man die Begierden einer Frau befriedigte.
Draußen machte der November die Straßen von Paris kalt und grau. Aber in seinem Laboratoire erhitzte Sylvain die Schokolade, bis sie genauso war, wie er sie haben wollte: weich und delikat. Er verteilte sie auf dem Marmortisch vor sich. Mit einer geschickten Handbewegung strich er sie zusammen und breitete sie dann wieder aus, glänzend und dunkel.
Im Laden kaufte gerade eine elegante Blondine, deren gesamte Erscheinung Reichtum und Privilegien ausstrahlte, eine Schachtel Pralinen. Sylvain beobachtete die Frau durch die Glasscheibe, die Besuchern einen kurzen Einblick in die Herstellung kunstvoller Pralinen gewährte. Er sah, dass sie nicht widerstehen konnte und noch auf dem Weg nach draußen eine der Pralinen kostete, sah, wie ihre perfekten Zähne in die daumennagelgroße Praline sanken, ahnte den Moment voraus, in dem die Hülle nach einem leichten Zögern nachgab, wusste, wie die Füllung darin auf ihrer Zunge zerschmolz, und spürte förmlich den Schauer der Freude, der durch ihren Körper lief.
Er lächelte und beugte sich vor, um sich wieder auf seine Schokolade zu konzentrieren. Und so bemerkte er nicht, dass eine weitere Frau den Laden betrat.
Wie sich jedoch herausstellen sollte, würde sie sich von ihm fortan nicht weiter übersehen lassen.
Der Duft von Schokolade strömte hinaus auf die verregnete Straße. Der schnelle Rhythmus der Stiefelabsätze verlangsamte sich, wenn Passanten in langen schwarzen Mänteln zögerten und nach der Quelle des Dufts Ausschau hielten. Einige blieben stehen. Einige gingen weiter. Cade wurde förmlich mit ihrem Schwung über die Schwelle getragen.
Theobromin hüllte sie ein wie eine warme Decke gegen die Kälte. Kakao flutete ihre Sinne.
Sie schlang die Arme um sich. Das Aroma erinnerte sie an zu Hause, doch ihre Augen sagten ihr, dass sie weit entfernt war von den Stahlbottichen der Fabrik, von den Strömen aus Schokolade, die gleichmäßig und ohne Unterlass aus Tüllen in Gussformen flossen, und den Milliarden von identischen Riegeln und Verpackungen mit Großbuchstaben, die ihr Leben geprägt hatten. Irgendetwas – eine Anspannung, die sie mit sich trug – löste sich in ihren Schultermuskeln und zog ein Zittern nach sich, das ihren gesamten Körper durchlief.
Jemand hatte Schokolade zu riesigen Kakaobohnen-Hälften geformt, die das Schaufenster zierten und die Ecken des Ladens gestalterisch hervorhoben. Sie konnte sich die Hand vorstellen, die sie geformt hatte – die Hand eines Mannes, stark, mit langen Fingern, gewandt bis zur feinsten Präzision. Sie hatte ein Foto dieser Hand als Hintergrundbild auf ihrem Laptop. Auf der Außenseite jeder Bohne hatte er Szenen aus Ländern gestaltet, die Kakao produzierten. Und auf der Oberfläche der liegenden Bohnen hatte er daumennagelgroße Pralinen exakt an den Stellen platziert, wo sie seiner Meinung nach hingehörten. Cade sah sich im Laden um. In den Ecken standen vereinzelt Holzkisten herum, deren schwarze Brandzeichen von fernen Ländern erzählten und die Kunden daran erinnerten, dass Kakao etwas Exotisches war, das aus einer anderen Welt stammte. Sie kannte diese Länder. Die Brandzeichen brachten die Gerüche und Bilder wieder zurück, die Leute, die sie dort in der Fremde getroffen hatte, den Klang der Macheten in den Kakaobäumen, den Duft reifender Kakaobohnen. Hier und da hatte er Kakaostückchen verstreut, so wie ein Chefkoch einen Teller mit einem Tropfen Soße verzierte. Er hatte Vanilleschoten und Zimtschalen großzügig auf verschiedenen Oberflächen verteilt, wie ein Rausch der noch unverarbeiteten Köstlichkeiten.
Jede kleine Einzelheit der Dekoration spiegelte die raue, wunderschöne Natur der Schokolade und dadurch den Triumph ihrer ultimativen Verfeinerung: winzige Schokoladenquadrate, Pralinen, die einhundertfünfzig Dollar das Pfund kosteten, hergestellt von Sylvain Marquis.
Sylvain Marquis. Manche behaupteten, er sei der beste Chocolatier von Paris. Er denkt das auch von sich, ging es Cade durch den Kopf. Sie wusste, dass er so viel Selbstvertrauen hatte. Sie wusste es aufgrund des Bildes von seiner Hand, das sie auf ihrem Laptop hatte.
Seine Schachteln hatten die Farbe von unbehandeltem Holz und wurden mit Seilen verschnürt. Der aufgedruckte Name – SYLVAIN MARQUIS –, schwarz wie dunkle Schokolade, verwandelte die Vorderseite
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