Chroniken der Jägerin 3
ihn leise. »Ich weiß.«
»Nein, das weißt du nicht.« Jack presste seine Hände noch fester zusammen. »Was du getan hast, dieses Muster. So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich hätte dir nicht helfen können, es zu wirken, selbst wenn ich es versucht hätte. Es ist nichts, was die Aetare entworfen hatten. Und es kommt dem, was ich versucht hatte dir beizubringen, nicht einmal entfernt nahe. Um genau zu sein … ich würde sogar sagen, dass es … überragend ist.«
Grant schwieg. Ich auch. Ich fühlte den Ring der Saat in meiner Tasche. Er wog schwer.
»Junge …«, sagte er wieder, nun noch etwas eindringlicher. Doch er wurde unterbrochen, so dass uns eine Antwort erspart wurde. Denn die Vordertür öffnete sich.
Es war die Botin. Vor einer Weile war sie noch verletzt gewesen, aber davon war jetzt nichts mehr zu sehen. Ihre Haut wirkte ganz makellos und blass.
»Ihr solltet lieber mitkommen«, meinte sie.
Wir folgten ihr nach draußen. Es war zwar immer noch dunkel, aber ich fühlte den Sonnenaufgang näher kommen, so wie man jemanden nachts atmen hört.
»Wo ist der Mahati?«, fragte ich sie.
Die Botin zeigte zum Stall hinüber, wo ich die große Gestalt eines Mannes stehen sah. Ihm fehlte der linke Arm, und ein paar Fetzen Fleisch waren aus seinem Oberschenkel gerissen, aber seine Wirbelsäule schien gerade, die silbernen Zöpfe waren lang, und die Ketten, die von seinen Ohren bis zur Nase reichten, klingelten eine sanfte Melodie. Er beobachtete uns,
und ich konnte spüren, dass seine Wut wie etwas Lebendiges zitterte.
»Nenn mich ruhig eine Heuchlerin, aber dir ist doch wohl klar«, sagte ich, »dass ich, als ich dir auftrug, dich mit einem Mahati zu verbinden, nicht gemeint hatte, dass du ihn behalten solltest.«
Nicht lebendig jedenfalls , was ich aber nicht hinzufügte.
»Er ist stark«, sagte die Botin scharf. »Stärker als jedes Menschenmedium. Siehst du, wie er noch immer seinen Verstand behält, obwohl ich seinen Körper längst beherrsche? Ich kann viel mit ihm anfangen.«
Sie sah mich streng an. »Und das muss ich auch, seit man mir klargemacht hat, dass Menschen nicht mit ihm verbunden werden können.«
»Das ist… immer noch falsch«, sagte ich darauf, allerdings wenig überzeugend. Grant zwickte mir in die Hüfte und schüttelte den Kopf.
»Heißt das, dass du hierbleibst?«, fragte er sie.
Die Botin fasste sich an ihr Halsband. »Vorerst, ja. Es gibt Dinge … die ich noch lernen muss.«
Ich sah mich um, ob Jack vielleicht noch etwas hinzuzufügen hatte, aber der starrte auf etwas hinter mir. Ich wandte mich um und sah den Hügel, auf dem meine Mutter begraben war.
Mein Sehvermögen war gut, selbst in der Dunkelheit. Ich nahm Bewegungen wahr. Kleine Körper und Erde, die durch die Luft flog.
Beunruhigt tat ich einen Schritt vorwärts. Grant hielt mich am Arm fest. »Nein. Es ist nicht das, was du denkst.«
»Woher weißt du …?«
»Es ist in ihrer Aura«, sagte er.
»Sie begraben mich«, meldete sich Jack mit bedrückter Stimme.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich berührte seine Schulter, nahm Grants Hand, und wir schritten aus der Leere zum Hügel hinauf.
Jacks Körper lag – in Laken gehüllt – bereits in einem tiefen Loch neben dem Grab meiner Mutter.
Rohw und Aaz wippten völlig verschmutzt an dessen Kante und pressten sich ihre Teddybären an die Brust. Zee hockte auf einer gewaltigen Steinplatte, die aussah, als hätte man sie ganz frisch aus der Erde gezogen, und war gerade dabei, eine Inschrift in den Stein zu kratzen.
Könige , dachte ich. Könige und Kinder. Und Freunde .
Jack trat zu dem Stein hinüber. Ich stellte mich neben ihn.
»Jack Meddle«, las ich und sah dabei über Zees Schulter. »Manipulator. Vater. Großvater.«
»Geliebt«, las Jack zu Ende. Dann sah er Zee und die Jungs an. »Was für ein großartiges Geschenk!«
Zee zuckte mit den Schultern, sah ihm dabei aber nicht direkt in die Augen. Rohw und Aaz warfen ihre Teddybären auf den Körper in dem Loch. Dek und Mal boten ihre beste Gladys-Knight-Imitation und summten einige Zeilen aus Good Morning Heartache .
»Möchtest du noch etwas sagen?«, wandte sich Grant an Jack.
Mein Großvater starrte lange in das Loch und sah dann zum Grab meiner Mutter hinüber.
»Deine Mutter ließ mich vergessen, dass ich unsterblich bin«, sagte er mit sanfter Stimme. »Und du tatest dasselbe, Jolene, als wir uns kennenlernten.«
»Und du auch.« Jack sah mich mit dunklen und
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