Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
undefinierbaren Farbe - waren streng hinter die Ohren gekämmt. Genau wie der Kutscher der Dunklen Schwestern besaß auch Miranda hervorstehende Augen, sodass sie aussah, als wäre sie ständig überrascht. Die beiden mussten irgendwie verwandt sein, überlegte Tessa.
Als sie gemeinsam die Treppe hinunterstiegen - Miranda mit ihrem hölzernen, schwerfälligen Gang zwei Schritte vor Tessa -, berührte Tessa rasch die Kette, an dem der Klockwerk-Engel hing. Die kurze Berührung war ihr inzwischen zur Gewohnheit geworden, eine Geste, die sie vor jedem erzwungenen Besuch bei den Dunklen Schwestern machte. Sie hielt den Engel fest umklammert, während sie nun Treppe für Treppe hinabstiegen und endlos lange Korridore passierten. Das Dunkle Haus besaß mehrere Etagen, aber außer dem Raum der Dunklen Schwestern, den Fluren und Treppenhäusern und ihrem eigenen Kämmerchen hatte Tessa noch keinen anderen Bereich zu Gesicht bekommen. Schließlich erreichten sie das dämmrige Kellergeschoss. Hier unten war die Luft muffig. Feuchtigkeit glitzerte an den klammen Wänden, was die Schwestern jedoch nicht zu stören schien. Ihr Büro lag in der Nähe der Treppe, geschützt hinter einer breiten Flügeltür, während ein schmaler Gang in die andere Richtung führte und sich in der Dunkelheit verlor. Tessa hatte keine Ahnung, was sich am Ende dieses Flurs befinden mochte, aber irgendetwas an der undurchdringlichen Finsternis der Schatten ließ sie nicht bedauern, dass sie es noch nicht herausgefunden hatte.
Die Tür zum Büro der Schwestern stand weit auf. Miranda stapfte, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, in den Raum, wohingegen Tessa ihr nur widerstrebend folgte. Sie hasste dieses Zimmer mehr als jeden anderen Ort auf der Welt.
Zunächst einmal war es darin immer heiß und feucht, wie in einem Sumpfgebiet, selbst wenn der Himmel vor Tessas Fenster grau und regnerisch wirkte. Die Wände schienen Schwitzwasser abzugeben und die Polsterung der Sessel und Sofas war klamm und stockfleckig. Außerdem roch es in diesem Raum seltsam, wie am Ufer des Hudson an einem heißen Tag: nach Wasser und Unrat und Schlick.
Wie üblich erwarteten die Schwestern sie bereits hinter ihrem riesigen, erhöhten Schreibtisch und wie üblich waren sie in bunt schillernde Farben gekleidet. Mrs Black hatte sich in ein leuchtend lachsrosa Kleid gezwängt, während Mrs Dark in einem pfauenblauen Gewand auf ihrem Platz thronte. Doch gegenüber den farbenprächtigen Satinstoffen wirkten ihre Gesichter wie graue, halb leere Ballons. Beide Frauen trugen wie immer Handschuhe - ganz gleich, wie stickig der Raum auch sein mochte.
»Du kannst gehen, Miranda«, sagte Mrs Black und setzte den schweren Messingglobus auf dem Schreibtisch mit einer trägen Bewegung ihres molligen, weiß behandschuhten Zeigefingers in Bewegung. Tessa hatte bereits mehrfach versucht, einen näheren Blick auf die Weltkugel zu werfen - irgendetwas an der Anordnung der Kontinente erschien ihr merkwürdig, vor allem der Bereich im Zentrum Europas -, doch die Schwestern hielten ihn sorgfältig von ihr fern. »Und schließ die Tür hinter dir.«
Mit ausdrucksloser Miene tat Miranda, wie ihr geheißen. Tessa bemühte sich, nicht zusammenzuzucken, als die Tür hinter dem Dienstmädchen ins Schloss fiel und damit auch den letzten Hauch einer Brise in diesem stickigen Raum ausschloss.
Mrs Dark neigte den Kopf zur Seite. »Komm her, Theresa.« Von den beiden Frauen war sie die freundlichere - sie versuchte eher, zu umschmeicheln und zu überreden, während ihre Schwester durch Schläge und böse gezischte Drohungen zu überzeugen gedachte. »Und nimm das hier«, fügte sie hinzu und hielt Tessa etwas entgegen.
Eine Schleife, wie Tessa sofort erkannte. Ein schäbiges Stück rosa Stoff, das vielleicht als Haarband eines jungen Mädchens gedient hatte.
Inzwischen war Tessa daran gewöhnt, dass die Dunklen Schwestern ihr irgendwelche Gegenstände reichten. Gegenstände, die einst anderen Leuten gehört hatten: Krawattennadeln und Taschenuhren, Trauerschmuck und Kinderspielzeug. Einmal ein Schnürsenkel, dann ein einzelner Ohrring, beide blutverschmiert.
»Nun nimm schon«, forderte Mrs Dark sie erneut auf, mit einem Hauch Ungeduld in der Stimme. »Und verwandle dich.«
Tessa nahm die Schleife. Sie lag leicht in ihrer Hand, leicht wie ein Schmetterlingsflügel, und die Dunklen Schwestern starrten sie ungeduldig an. Tessa erinnerte sich an einige Bücher, die sie gelesen hatte - Romane, in denen
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