Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
Figur darin machst?«
Tessa hatte das Gefühl, ihr Magen würde jeden Moment seinen Inhalt ruckartig von sich geben. Erneut suchte sie mit den Augen den Saal ab und entdeckte zu ihrer Bestürzung Gideon Lightwood, der in seinem Frack zwar recht stattlich aussah, aber steif an einer Wand stand. Er wirkte wie versteinert; nur sein Blick schweifte über die Gäste. Dagegen schlenderte Gabriel ungezwungen umher, ein Getränk in der Hand, das aussah wie Limonade, während er sich neugierig umschaute. Schließlich näherte er sich einer der jungen Damen mit den langen lavendelblauen Haaren und versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Von wegen die Lightwood-Brüder wissen nicht, was ihr Vater so treibt, dachte Tessa und wandte gereizt den Blick ab. In dem Moment entdeckte sie Will.
Er lehnte an der gegenüberliegenden Wand, zwischen zwei leeren Stühlen. Trotz seiner Maske hatte Tessa den Eindruck, als könnte sie ihm direkt in die Augen sehen ... als stünde er so nahe, dass sie ihn berühren konnte. Fast hatte sie erwartet, dass er angesichts ihrer misslichen Lage leicht belustigt schauen würde, doch das war nicht der Fall. Er wirkte angespannt und aufgebracht und ...
»Gott, wie bin ich eifersüchtig auf jeden Mann, der dich auch nur ansieht«, sagte Nate. »Denn ich sollte der einzige sein, der dich ansehen darf.«
Du meine Güte, dachte Tessa. Funktionierten diese Sprüche bei den meisten Frauen denn wirklich? Wenn ihr Bruder zu ihr gekommen wäre und um Rat hinsichtlich dieser Sprachperlen gebeten hätte, dann hätte sie ihm unverblümt mitgeteilt, dass er wie ein Narr klang. Obwohl er möglicherweise nur in ihren Ohren wie ein Narr klang, weil er ihr Bruder war. Und verabscheuungswürdig. Informationen, ermahnte sie sich. Ich muss ihm ein paar Informationen entlocken und dann zusehen, dass ich von hier fortkomme, ehe mir wirklich übel wird.
Erneut schaute sie in Wills Richtung, doch er war verschwunden, so als hätte er nie dort gestanden. Trotzdem glaubte sie ihm nun, dass er sich tatsächlich irgendwo in der Nähe befand und über sie wachte, auch wenn sie ihn nicht sehen konnte. Sie fasste sich ein Herz und erwiderte: »Ach wirklich, Nate? Manchmal fürchte ich ja, du schätzt mich nur aufgrund der Informationen, die ich dir liefere.«
Abrupt hielt Nate inne, riss sie beide förmlich aus dem Tanz heraus. »Jessie! Wie kannst du nur so etwas denken? Du weißt doch, wie sehr ich dich anbete.« Er bedachte sie mit einem vorwurfsvollen Blick, während sie sich wieder in Bewegung setzten und dem Rhythmus der Musik folgten. »Es stimmt zwar, dass deine Verbindung zu den Nephilim des Instituts von unschätzbarem Wert ist - ohne dich hätten wir beispielsweise nie von ihrer Reise nach York erfahren. Aber ich hatte angenommen, dass du mir deshalb hilfst, weil es um unsere gemeinsame Zukunft geht. Wenn ich erst einmal die rechte Hand des Magisters bin, Liebling ... denk doch nur, wie ich dann für dich sorgen kann.«
Tessa lachte nervös. »Du hast ja recht, Nate. Es ist nur so, dass ich manchmal Angst bekomme: Was wäre, wenn Charlotte herausfinden würde, dass ich sie in deinem Auftrag bespitzle? Was würden sie und die anderen mir dann antun?«
Nate schwang sie leicht im Kreis. »Gar nichts, mein Liebling, sie würden dir gar nichts tun. Du hast es selbst gesagt: Sie sind allesamt Feiglinge.« Sein Blick schweifte an ihr vorbei und er hob missmutig eine Augenbraue. »Benedict - er kann es einfach nicht lassen«, bemerkte er. »Wie geschmacklos.«
Tessa drehte den Kopf und entdeckte Benedict Lightwood, der sich in der Nähe des Orchesters auf einem scharlachroten Samtsofa rekelte. Er hatte den Gehrock abgelegt, hielt ein Glas Rotwein in der Hand und schien mit halb geschlossenen Lidern der Musik zu lauschen. Doch dann sah Tessa zu ihrer Bestürzung, dass eine Frau rittlings auf seinem Schoß saß. Oder zumindest besaß das Wesen die Gestalt einer Frau: lange schwarze Haare und ein tief ausgeschnittenes schwarzes Samtkleid - doch statt Augen zuckten winzige Schlangen in den Augenhöhlen. Während Tessa wie gebannt zuschaute, fuhr eine der Schlangen zischelnd ihre lange, gespaltene Zunge aus und leckte Benedict Lightwoods Wange.
»Das ist eine Dämonin«, stieß Tessa atemlos hervor, wobei sie einen Moment lang aus ihrer Rolle als Jessamine fiel. »Habe ich recht?«
Glücklicherweise schien Nate an dieser Frage nichts merkwürdig zu finden. »Natürlich ist das eine Dämonin, mein Dummerchen. Danach
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