Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
ließ den Morgenmantel von ihren Schultern gleiten, sodass sie nur mit ihrem dünnen Batistnachthemd bekleidet seinen Blicken preisgegeben war. Dann schaute sie atemlos zu ihm hoch und schüttelte sich die Haare, die sich teilweise aus ihren Zöpfen gelöst hatten, aus dem Gesicht.
Vorsichtig stützte Jem sich mit dem Ellbogen neben ihr auf das Bett, schaute an ihrem Körper herab und wiederholte dann mit heiserer Stimme, was er in der Kutsche zu ihr gesagt hatte: »Ni hen piao liang.«
»Was heißt das?«, wisperte Tessa.
Und dieses Mal lächelte er und erwiderte: »Es bedeutet: Du bist wunderschön. Ich wollte es dir vorher nicht sagen ... weil ich nicht wollte, dass du denkst, ich würde mir Freiheiten herausnehmen.«
Tessa hob ihre Hand und berührte seine Wange, die dicht über ihr schwebte, und die empfindliche Stelle an seiner Kehle, wo das Blut dicht unter der Haut pulsierte. Seine Wimpern senkten sich wie ein silberner Regenvorhang, während er jede Bewegung ihrer Finger mit den Augen verfolgte. »Dann nimm sie dir jetzt heraus«, erwiderte Tessa flüsternd.
Jem beugte sich zu ihr herab, ihre Lippen trafen sich erneut und dieses Mal war das Gefühl so intensiv, so überwältigend, dass Tessa instinktiv die Augen schloss, als könnte sie sich in der Dunkelheit verbergen. Jem murmelte leise und zog sie an sich. Dann rollte er sie beide auf die Seite, Tessas Beine um seine gelegt, und ihre Körper pressten sich fester und fester aneinander, bis sie kaum noch Luft bekamen - und dennoch konnten und wollten sie nicht aufhören.
Tessa fand die Knöpfe an seinem Hemd, aber obwohl sie die Augen aufschlug, zitterten ihre Hände so sehr, dass sie sie kaum öffnen konnte. Ungeschickt fummelte sie daran herum, zerriss dabei Teile des Stoffs.
Als Jem sein Hemd von den Schultern gleiten ließ, sah Tessa, dass seine Augen wieder in einem klaren Silberton aufleuchteten. Allerdings blieb ihr nur ein Moment, um diesen Anblick zu bewundern - der Rest seines wundervollen Körpers beanspruchte nämlich ebenfalls ihre Aufmerksamkeit. Er war sehr hager, ohne die kräftigen Muskelstränge, die für Will so typisch waren, aber seine Zerbrechlichkeit hatte etwas Liebenswertes an sich, wie die freien Verse eines Gedichts. Wie Gold gehämmert wird zu Hauch. [16] Obwohl Jems Brust noch immer eine dünne Schicht Muskelgewebe bedeckte, konnte Tessa die Schatten zwischen seinen Rippen erkennen. Der Jade-Anhänger, den Will ihm geschenkt hatte, ruhte unterhalb seines deutlich hervorstehenden Schlüsselbeins.
»Ich weiß«, murmelte er und schaute verlegen an sich herab. »Ich bin nicht ... ich meine, du musst denken, ich bin ...«
»Wunderschön«, sagte sie und meinte es von ganzem Herzen. »Du bist wunderschön James Carstairs.«
Seine Augen weiteten sich überrascht, als sie ihn berührte: Ihre Hände zitterten nicht länger, erkundeten seinen Körper nun forschend, fasziniert. Tessa erinnerte sich an ein sehr altes Buch, das ihre Mutter einst besessen hatte und dessen Seiten so empfindlich waren, dass sie bei jedem Umblättern zu Staub zu zerfallen drohten. Und den gleichen Drang zu äußerster Vorsicht empfand sie auch jetzt, als sie mit den Fingern über die Runenmale auf seiner Brust fuhr, die Vertiefungen zwischen seinen Rippen und die leicht abfallende Ebene seines Oberbauchs erkundete, die unter ihrer Berührung erbebte - hier hatte sie etwas vor sich, das so zerbrechlich wie liebenswert war.
Auch Jem schien nicht in der Lage, die Finger von ihr zu lassen. Seine Musikerhände ertasteten Tessas Hüften, glitten unter ihr Nachthemd, über ihre nackten Beine. Er berührte sie auf eine Weise wie sonst nur seine geliebte Geige - mit einer sanften, drängenden Anmut, die Tessa den Atem raubte. Inzwischen schien sie sein Fieber zu teilen; ihre Körper glühten und ihre schweißfeuchten Haare klebten ihnen in Nacken und Stirn.
Doch das kümmerte Tessa nicht - sie wollte diese Hitze, dieses fast schmerzhafte Verlangen spüren. Dies hier war nicht sie selbst, die sich so verhielt, dies war eine andere Tessa, eine erträumte Tessa ... Plötzlich erinnerte sie sich wieder an ihren Traum, in dem sie Jem in einem von Flammen umgebenen Bett gesehen hatte. Allerdings hätte sie sich niemals träumen lassen, dass sie mit ihm zusammen entbrennen würde. Und sie wollte mehr von diesem Gefühl, mehr von diesem Feuer. Aber keiner der vielen Romane, die sie gelesen hatte, verriet ihr, wie es nun weiterging. Wusste Jem es? Will hätte es
Weitere Kostenlose Bücher