Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Tageslichtler.«
»Raphael.« Lukes Ton klang warnend. »Ich habe keine Ahnung, was du dir erhoffst. Aber wir werden auf keinen Fall zulassen, dass du Simon Schaden zufügst.«
»Wohingegen ihr keine Bedenken habt, dass Valentin und sein Dämonenheer all diesen Leuten, euren Verbündeten, Schaden zufügen.« Mit einer weit ausholenden Geste deutete Raphael auf die Menge. »Ihr lasst zu, dass sie freiwillig ihr Leben aufs Spiel setzen, wollt Simon aber nicht die gleiche Wahlmöglichkeit einräumen? Vielleicht würde er ja eine ganz andere Entscheidung treffen als ihr.« Langsam ließ er den Arm sinken. »Ihr wisst, dass wir nicht mit euch kämpfen werden, wenn ihr ihn uns nicht übergebt. Die Kinder der Nacht werden an diesem Tag nicht teilhaben.«
»Dann eben nicht«, erwiderte Luke. »Ich werde eure Kooperation nicht mit einem unschuldigenLeben erkaufen. Ich bin nicht Valentin.«
Sofort wandte Raphael sich Jocelyn zu. »Und was ist mit dir, Schattenjägerin? Willst du zulassen, dass dieser Werwolf darüber bestimmt, was für dein Volk das Beste ist?«
Jocelyn musterte Raphael, als wäre er eine Kakerlake, die über ihren sauberen Küchenboden krabbelte. Und dann sagte sie sehr langsam und deutlich: »Wenn du auch nur eine Hand an Simon legst, Vampir, dann zerhack ich dich in winzige Stückchen und verfüttere dich an meine Katze. Hast du mich verstanden?«
Raphael presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Also schön, wie ihr wollt«, stieß er hervor. »Aber wennihr in der Brocelind-Ebene im Sterben liegt, könnt ihr euch ja mal fragen, ob ein Leben den Verlust so vieler wirklich wert war.« Und damit verschwand er.
Luke drehte sich rasch zu Clary um, doch Simon schaute nicht länger auf das Podium: Er blickte auf seine Hände hinab. Er hätte gedacht, sie würden zittern, aber sie wirkten so reglos wie die Hände eines Toten. Langsam, sehr langsam ballte er sie zu Fäusten.
Valentin sah aus wie immer: ein kräftiger Mann in maßgeschneiderter Schattenjägermontur, dessen breite, massige Schultern einen seltsamen Kontrast zu seinem scharfkantigen, eleganten Gesicht bildeten. Das Heft des Engelsschwerts ragte hinter seinem Rücken auf und er trug ein schweres Bündel über der Schulter. Sein robuster Gürtel war mit zahlreichen Waffen bestückt: breite Jagdmesser, schmale Dolche und scharfe Abdeckklingen. Während Jace im Schutz des Stalagmiten zu Valentin hinüberstarrte, fühlte er wieder das, was er beim Gedanken an seinen Vater immer verspürte - eine hartnäckige familiäre Zuneigung, durchsetzt von Kälte, Enttäuschung und Misstrauen.
Es war seltsam, seinen Vater hier mit Sebastian zu sehen, der irgendwie verändert wirkte. Auch er trug eine Kampfmontur und ein langes Schwert mit silbernem Heft an der Hüfte. Aber nicht seine Kleidung erschien Jace so merkwürdig - es waren seine Haare, die sein Gesicht nicht länger mit dunklen Locken rahmten, sondern mit einem hellen Schein umgaben, einem fast weißblonden Haarkranz. Diese Farbe stand ihm deutlich besser als die dunklen Haare-seine Haut wirkte jetztnicht mehr so furchtbar blass. Offensichtlich hatte er sich die Locken schwarz gefärbt, um dem echten Sebastian Verlac ähnlicher zu sehen, und das hier war seine natürliche Haarfarbe. Eine bittere, brausende Woge des Hasses wallte in Jace auf und er musste sich zwingen, nicht hinter dem Fels hervorzuspringen und Sebastian an die Kehle zu gehen.
Im nächsten Moment krächzte Hugo erneut auf, ließ sich aus großer Höhe herabfallen und landete auf Valentins Schulter. Der Anblick des Raben in einer Haltung, die er jahrelang mit Hodge verbunden hatte, versetzte Jace einen heftigen Stich. Im Grunde hatte Hugo Tag und Nacht auf der Schulter seines alten Lehrers gehockt und es erschien Jace irgendwie seltsam, fast falsch, den Vogel nun mit Valentin zu sehen - trotz allem, was Hodge getan hatte.
Valentin hob die Hand, strich dem Raben über das schwarze, glänzende Gefieder und nickte ein paarmal, als wären Mensch und Vogel in ein angeregtes Gespräch vertieft.
Sebastian beobachtete die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen. »Irgendwelche Neuigkeiten aus Alicante?«, fragte er, als Hugo sich von Valentins Schulter abstieß und in die Lüfte erhob, wobei seine Flügel die funkelnden Spitzen der Stalaktiten streiften.
»Nein, jedenfalls nichts Konkretes«, erwiderte Valentin. Die Stimme seines Vaters klang wie immer kühl und unerschütterlich und
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