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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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aufgebracht. Eigentlich hatte er ja vorgehabt, es sich mit einer brandneu erschienenen Ausgabe von Karl Mays gesammelten Reiseromanen in seinem Lesesessel gemütlich zu machen. Er war schon sehr gespannt auf den zweiten Teil von Winnetou, der rote Gentleman, aber jetzt ließ ihn der Ausdruck auf Charlottes Gesicht innehalten. »Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?«
    Charlotte sah ihn entgeistert an. Sie hatte ihn wohl gar nicht bemerkt. Blitzschnell fing sie sich jedoch wieder und sagte: »Ach nichts. War nur eben auf dem Dachboden und habe ein paar Sachen zusammengetragen.«
    »Was für Sachen?« Oskar reckte den Hals. Der Dachboden in Humboldts Haus war eine wahre Fundgrube, Kultobjekte aus aller Welt sowie seltene Sammlerstücke. Dinge, mit denen sich ohne Probleme ein kleines Museum füllen ließ. Es stand aber auch eine Truhe dort oben, in der der Forscher Dokumente und Zeugnisse aus seiner Vergangenheit aufbewahrte. Plakate, Tagebücher, Briefe und jede Menge Korrespondenz. Während Oskar mit großer Leidenschaft die Masken und Trommeln betrachtete, hatte Charlotte einen Narren daran gefressen, in der Vergangenheit des Forschers herumzustöbern. Humboldt hatte nichts dagegen und ließ sie gewähren. Ob er allerdings damit einverstanden sein würde, dass sie die Sachen jetzt in ihr Zimmer brachte?
    »Was sind das für Dokumente?«, wiederholte Oskar seine Frage. »Soll ich dir tragen helfen?«
    »Nein, nicht nötig.« Charlotte drehte sich zur Seite, damit Oskar nicht sah, was sie da durch das Haus schleppte. Trotzdem konnte er einen Blick auf eine Ahnentafel und ein dickes, in Leder gebundenes Buch erhaschen.
    »Stammbäume und Fotoalben?«, fragte er. »Was willst du denn damit?«
    Er versuchte, an eines der Dokumente ranzukommen, aber sie drehte sich von ihm weg.
    »Das geht dich rein gar nichts an!«, zischte sie. »Untersteh dich, dich in meine Privatangelegenheiten einzumischen.«
    »Ist ja gut, ist ja gut.« Er hob entwaffnend die Hände. »Ich wollte nur einen kleinen Spaß machen.«
    »Mir ist es bitterernst«, sagte sie mit wütender Stimme. »Würdest du mich jetzt bitte durchlassen?«
    »Aber klar.« Er trat einen Schritt zur Seite und Charlotte stürmte an ihm vorbei. Dabei fiel ihr ein kleines Buch hinunter. Familienchronik stand auf das Leder geprägt. Oskar beugte sich vor und hob es auf. Es war das Buch, in dem Humboldt sämtliche Geburts- und Abstammungsurkunden aufbewahrte. Mit einem ratlosen Blick reichte Oskar Charlotte die wertvollen Dokumente. Sie schnappte danach und steckte sie zu den anderen Sachen. Einen kurzen Moment leuchtete immer noch die Wut in ihren Augen, dann wurde ihr Blick wieder sanfter. »Danke«, sagte sie. »Bitte verrate mich nicht. Ich bin da einer merkwürdigen Geschichte auf der Spur und ich möchte nicht, dass alle davon erfahren. Versprichst du mir, dass du niemandem davon erzählst?«
    Er nickte. »Erfahre ich irgendwann davon?«
    »Sobald ich herausgefunden habe, was dahintersteckt. Versprochen.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand in ihrem Zimmer.

 
4
     
     
    Unruhig auf den Griff seines Degens trommelnd, blickte Sir Jabez Wilson aus dem Fenster. Das regennasse London zog wie eine Tapete an ihm vorüber. Menschen liefen im Schatten der Gebäude, hielten Aktentaschen oder Regenschirme über ihre Köpfe und sahen zu, dass sie rasch ins Trockene kamen. Überall herrschte geschäftige Weihnachtsstimmung. Die Läden waren geschmückt und allseits standen Straßenmusikanten, die sich mit Oh, come all ye faithful oder Go tell it on the mountain gegenseitig zu überstimmen versuchten.
    Wilson konnte diesem Fest nichts abgewinnen. Der Geruch von Bratäpfeln, Candys und Lebkuchen lag wie eine betäubende Decke über der Stadt. Diese ewige Singerei und diese kuhäugigen Kinder mit ihrem Dauergrinsen. Wenn es nach ihm ging, gehörte dieses Fest abgeschafft.
    Die Kutsche erreichte den Park, schwenkte auf Südkurs und steuerte dem Wellington Triumphbogen entgegen. Nur wenige Minuten später hatten sie die Hausnummer 48 erreicht. Wilson sprang aus dem Wagen, drückte dem Fahrer zwanzig Shilling in die Hand und eilte mit gesenktem Kopf über die Straße.
    Der zweistöckige Bau in klassizistischem Stil diente der Universität als Quartier für ausländische Besucher und Gäste der Fakultäten. Im Allgemeinen waren die Zimmer immer ausgebucht, doch so kurz vor Weihnachten standen die meisten von ihnen leer. François Lacombe war der

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