Rolf Torring 119 - Doktor Tjus Karawane
1. Kapitel
Die „Brücke der zehntausend Zeitalter"
„Lieber Kapitän Hoffmann," begann Rolf, nachdem er auf die Brücke unserer Jacht gekommen war, auf der ich neben unserem Kapitän stand, „wir werden uns voraussichtlich wieder längere Zeit an Land aufhalten. So bleibt es bei unserer Abmachung. Sie können die Jacht einstweilen für Ihre Zwecke verwenden. Unternehmen Sie mit vermögenden Leuten kleine oder größere Erholungsfahrten! Das bringt etwas Geld. Was Sie dabei verdienen, gehört Ihnen. Für die Zeit unserer Abwesenheit können wir Ihnen leider keine Heuer bezahlen, wir sind auch nur auf unsere gelegentlichen Einnahmen angewiesen, und unsere Reisekasse ist schon lange nicht mehr gründlich aufgefüllt worden. Das wissen Sie ja. Behalten Sie den Steuermann John und William als Matrosen und Maschinisten an Bord, LI Tan dagegen möchte wieder in seine Heimatstadt zurück. Ich würde Ihnen vorschlagen, von hier aus nach Bombay zu fahren und sich dort mit einem der großen internationalen Reisebüros in Verbindung zu setzen. Da werden Sie schnell ein paar Passagiere für eine Indienfahrt bekommen.
Wenn wir unsere Jacht wieder brauchen sollten, — nun, wir haben ja Funkanlage an Bord! Wir werden Sie auch so gelegentlich verständigen, damit Sie wissen, wo wir im Augenblick sind. Einverstanden, Kapitän?"
Rolf hatte die Absicht, von Fu Tschou ins Innere Chinas vorzustoßen. Dazu brauchten wir die Jacht nicht. Wir wollten sie aber nicht verkaufen, deshalb hatte Rolf Kapitän Hoffmann den Vorschlag gemacht, einstweilen auf eigene Faust Vergnügungsfahrten mit Passagieren durchzuführen. Die Jacht konnte immerhin als Luxusfahrzeug angesprochen werden.
„Ich danke für das Vertrauen, das Sie mir entgegenbringen," sagte Kapitän Hoffmann, »und werde stets bestrebt sein, Ihre Jacht in bester Ordnung zu halten."
„Na, nun mal nicht ganz so förmlich, lieber Kapitän," lächelte mein Freund.
Trotzdem bedankte sich Hoffmann noch einmal und versicherte, daß er stets unseres Rufes bereit sein würde. Dann fuhr er fort:
„Übrigens glaube ich bestimmt, daß ich schon in Fu Tschou Passagiere nach Bombay an Bord nehmen kann. Mit einer kleinen Luxusjacht reist es sich immer angenehmer als mit den ollen chinesischen Schaukelkähnen —"
„Dampfern — meinen Sie," lachte ich.
„Sind doch alles Schaukelkähne," behauptete Hoffmann.
„Wann werden wir im Hafen von Fu Tschou einlaufen?" wollte Rolf wissen.
„In zwei Stunden, denke ich, Herr Torring. Wollen Sie da gleich an Land gehen? Oder bleiben Sie während Ihres dortigen Aufenthaltes noch auf der Jacht?"
„Wir gehen gleich an Land, Kapitän," meinte Rolf. „Sie können also sofort mit der Suche nach geeigneten Passagieren beginnen. Lassen Sie sich aber mit den Preisen für die Schiffskarten nicht übers Ohr hauen!"
„Keine Sorge, Herr Torring! Erst das Geld, dann die Fahrt, wie es überall gehandhabt wird." Rolf wandte sich zu mir:
„Komm mit in die Kabine, Hans! Wir müssen langsam unsere Sachen zusammenpacken."
Während ich mich schon zu den paar Stufen wandte, die von der Brücke auf Deck hinab führten, sagte ich noch zu unserem Kapitän:
„Die Reiseandenken lassen wir auf der Jacht, Kapitän Hoffmann. Ich würde Sie bitten, sie bis Bombay mitzunehmen und von dort in die Heimat zu schicken, nach Deutschland. Die Anschriften haben Sie ja.“
„Alles schon mit Herrn Torring besprochen," nickte der Kapitän.
Ich folgte Rolf in die Kajüte. Ein eigenartiges Gefühl, ein bißchen Wehmut und etwas Abschiedsschmerz, erfüllte mich doch, wenn ich daran dachte, daß wir nun für lange Zeit die Jacht, die uns Monate hindurch Wohnung und Heimat bedeutet hatte, verlassen würden. Ich hatte sie liebgewonnen. Aber Rolf hatte schon recht, wenn er behauptete, daß wir noch ganz zu Wasserratten würden und an großen Landfahrten bald gar keinen Geschmack mehr finden würden. Mit der Jacht, hatte mein Freund gesagt, durchstreifen wir immer nur ziemlich flüchtig ein paar Randgebiete des Meeres. Ostasien aber ist ein Land, in das man tief eindringen muß, wenn man Land und Leute wirklich kennen lernen will. Rolf hatte gelegentlich sogar geäußert, daß er bis Tibet wollte.
Tibet — ja, das Land des Dalai-Lamas reizte mich schon lange, vorher aber hatten wir noch etwas anderes zu erledigen, und zwar in Fu Tschou,
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