Chucks Welt
Gedanke, der mich schaudern lässt.
»Halt mal … schläfst du etwa bei Parker im Zelt?«
»Nein«, sagt sie. »Hältst du mich für eine Nutte oder was?«
Ehrlich gesagt habe ich im Zusammenhang mit ihr noch niemals an solche Sachen gedacht. Ekelhaft.
»Ich habe mir ein Zelt von den Greulichs ausgeliehen«, erklärt Beth. »Die haben allen möglichen Mist in ihrer Garage.«
Ich denke an unsere alten Nachbarn. Meinem Eindruck nach sitzen sie immer nur in ihrem Wintergarten rum und zwingen mich, ihnen jedes Mal zuzuwinken, wenn ich heimkomme. Weiß der Teufel, was die alles in der Garage haben.
»Jedenfalls wollte ich, dass du’s weißt«, ergänzt sie.
Die Tatsache, dass meine Schwester, die zwei Klassenstufen untermir ist, bei der Abschlussfahrt mitmacht – und ich nicht –, ist so unsäglich, so haarsträubend, so verdammt unfair! Vor lauter Empörung weiß ich gar nicht mehr, wohin mit mir. Ich stelle mir vor, wie Beth im Wald von einem Bären aufgefressen wird. Wie sie kreischt, während sie bei lebendigem Leib in Stücke gerissen wird.
Urplötzlich tut es draußen einen gewaltigen Donnerschlag. Das Licht flackert, geht aus und wieder an und wir zucken beide zusammen. Das scheußliche Wetter ist jetzt wirklich da. Da tut es mir auf einmal leid wegen Beth und dem Bären und ich klopfe mir in alter Gewohnheit aufs Knie.
»Wieso nimmt dich Steve eigentlich nicht mehr mit in die Schule?«, fragt Beth. Ein geschickter Themenwechsel, aber schmerzlich.
Ich habe gemütlich auf der Couch gesessen und keinen gestört, und dann kommt Beth und erinnert mich daran, dass ich der einzige Highschoolschüler auf Erden bin, der in seinem Abschlussjahr noch mit dem Bus fährt. Super, vielen Dank auch.
»Keine Ahnung, macht er eben nicht.«
»Willst du, dass ich Parker mal frage, ob er dich auch mitnimmt? Platz hätte er.«
Es wird kein Preis verliehen und auch keine Plakette, es gibt keine große Bekanntmachung und keinen Fanfarenstoß. Trotzdem wird mir bewusst: Dies hier, exakt diese Sekunde, ist der absolute Tiefpunkt meines bisherigen Lebens.
»Nein, Beth«, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen, »ich will nicht, dass du Parker fragst, ob er mich mit in die Schule nimmt.«
»Okay«, sagt sie und steht auf, offenbar mit dem Beschluss, dass sie ihre schwesterlichen Pflichten für dieses Jahr abgeleistet hat. »Ich hab’s immerhin versucht.«
Sie springt aus dem Zimmer, unsensibel wie immer.
Da donnert es noch einmal gewaltig und dann fängt es an zu regnen.
I ch kann nicht schlafen.
Ich habe den Herd kontrolliert, war millionenmal pinkeln, habe mir einen runtergeholt, aber schlafen kann ich immer noch nicht. So ein schlimmes Gewitter habe ich noch nie erlebt. Regen trommelt aufs Dach. Doch was mich wachhält, ist etwas anderes. Mein Hirn läuft auf Hochtouren.
Ich schalte den Fernseher an. Auch wenn mir Fernsehen normalerweise nicht beim Einschlafen hilft – ich bin bereit, alles zu probieren. Ich zappe mich durch die Kanäle, aber mitten in der Nacht läuft einfach nichts. Außerdem ist der Empfang bei einigen Sendern total schlecht, wahrscheinlich wegen dem Gewitter.
Ich bleibe auf Skinemax hängen. Zu meiner Überraschung kommt der Kanal gestochen scharf. Was für eine Ironie – das Gewitter muss die Sperre aufgehoben haben. Das ist anscheinend meine Glücksnacht (ja, im Augenblick betrachte ich so was schon als Glück). Ich habe keine Ahnung, wie der schmalzige Softporno heißt, den ich da anschaue, also drücke ich die Infotaste auf der Fernbedienung. Auf dem Bildschirm heißt es:
Sensual Moon 4 (Premiere) – Die schamlose Geschichte eines Mannes mit geheimnisvollen erotischen Kräften.
Keine Jugendfreigabe. Enthält sexuell eindeutige Inhalte.
Sensual Moon 4? Mann, die hauen diese Filme wirklich in einem Affenzahn raus. Ich habe noch nicht mal Teil 2 oder 3 gesehen. Ich will schon mein Handy vom Nachttisch nehmen und Steve ansimsen, ob er Bescheid weiß, aber dann fällt mir wieder ein, dass wir nicht mehr miteinander reden. Das ist echt beschissen. Bestimmt sieht er den Film sowieso, aber das ist ein schwacher Trost.
Ich mache es mir vor dem Fernseher bequem, während der Regen draußen immer stärker wird. Genau wie im ersten Film dieser ausgedehnten Erotik-Saga geht es auch in Sensual Moon 4 um einen Typen, der ewig oft Sex hat und andauernd hüpft irgendwer unmotiviert nackt herum. Soweit ich erkennen kann, bestehen die »geheimnisvollen erotischen Kräfte« der
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