Chucks Welt
fühle mich scheiße. Es gibt nichts, worauf ich mich freue. Aber war das jemals anders?
»Mrs Taylor, das ist eine normale Reaktion darauf, dass Chuck das Lexapro abgesetzt hat?«
»Das weiß ich nicht, was meinen Sie?«, antwortet Mom.
Ich muss kichern. Dann lache ich los, richtig laut. Ich glaube, das ist allen Ernstes das erste Lachen seit … seit ich mit Steve und Kanha in dem Imbiss war und wir uns an die Geschichte mit dem Bier erinnert haben. Mom, Dad und Dr. S. gucken mich alle mit dem gleichen verwirrten Blick an.
»Das war keine Frage, Mom«, pruste ich.
»Was?«, fragt sie.
Ich lache wieder los.
Mom und Dad haben noch nicht so viel Zeit mit Dr. S. verbracht wie ich. Mom kapiert nicht, dass Dr. S. ihr erklären wollte, wie normal meine Reaktion ist.
»Egal, vergiss es«, sage ich.
Diese kurze Demonstration meiner Fähigkeit zu lachen scheint die Anspannung im Raum etwas zu mildern, zumindest für den Moment.
»Chuck«, sagt Dr. S., »mir ist klar, dass die letzten Monate schwierig für dich waren. Aber du hast auch große Erfolge gehabt, richtig? Es wäre zu schade, das alles aufzugeben.«
»Chuck«, ergänzt Mom, »bald gehst du weg aufs College, dann sind wir nicht mehr … na ja, dann können wir nicht mehr so ein Auge auf dich haben wie bisher. Wir wollen sicher sein, dass es dir gut geht, wenn du woanders lebst.«
»Chuck«, schaltet sich jetzt auch noch Dad ein, »es geht uns doch nur darum …«
»Schluss!« , schreie ich und alle erschrecken. »Mir geht’s gut! Okay, vielleicht bin ich ein bisschen deprimiert. Wer wär das nicht an meiner Stelle? Das Mädchen, mit dem ich so halbwegs zusammen war, hat mich in die Wüste geschickt. Mein bester Freund hasst mich. Die Highschool ist vorbei. So ist es eben. Ich mag nicht, wie ich mich fühle, wenn ich Lexapro nehme, ich mag diesen KVT-Kram nicht mehr und die Stunden hier auch nicht. Ich will einfach nicht mehr. Aber es wird schon gut ausgehen. Versprochen.«
Die andern werfen sich zweifelnde Blicke zu.
Ich wende mich an meine Eltern. »Können wir einfach gehen?«, bitte ich sie.
Ich blicke Dr. S. an, gucke aber schnell wieder weg. Ich habe das Gefühl, sie enttäuscht zu haben. Doch ich will wirklich nur noch nach Hause.
Sie schenkt mir ein beruhigendes Lächeln. »Denk dran, Chuck, ob du gesund wirst oder nicht, ist allein deine Sache.«
Das muss der entschiedenste Aussagesatz sein, den ich jemals von ihr gehört habe.
Dann schiebt sie sicherheitshalber noch mal nach: »Ja?«
I ch hänge auf der Wohnzimmercouch rum und sehe fern. Absolut gar nichts zu tun fühlt sich gut an. (Wobei »gut« in diesen Tagen besonders relativ ist.) Wie auf ein Stichwort kreuzt Beth auf, diese Ausgeburt der Hölle, und pflanzt sich neben mich auf die Couch.
»Was machst du da?«, fragt sie.
»Wonach sieht’s denn aus?«
Beth zuckt mit den Schultern. »Mom sagt, dir geht’s nicht so gut.«
»Na ja, weißt du, Mom sagt viel.«
Eine Weile sitzen wir still nebeneinander.
»Wart mal«, sage ich und drehe mich Beth zu. »Hat Mom dich etwa hergeschickt, damit du nach mir schaust?«
»Weiß nicht.«
Beth lügt noch schlechter als ich.
»Dann kannst du ihr berichten, dass alles okay ist mit mir.«
»Aber eigentlich«, sagt Beth nach einer kurzen Pause, »wollte ich dir auch was erzählen.«
»Wenn du meinen Laptop schon wieder ruiniert hast, brech ich dir das Genick«, schnauze ich sie an.
»Ich hab deinen blöden Laptop nicht kaputt gemacht. Ich wollte dir sagen, dass ich morgen auf diesen Campingausflug gehe.«
»Was?«, sage ich, sauer und ungläubig zugleich.
»Ich gehe mit auf die Abschlussfahrt«, wiederholt Beth.
»Wie meinst du das?«
»Parker hat mich gefragt, ob ich mitkomme, und das tue ich.«
»Aber das ist doch nur für die Abschlussklasse! Ganz anders als der Ball. Du darfst da gar nicht mit.«
»Wer sagt das?«
Insgeheim bewundere ich Beth für diese Lässigkeit. Sie scheißt einfach auf die Regeln.
»Mom und Dad erlauben das garantiert nicht«, sage ich mit voller Überzeugung.
»Haben sie schon gemacht.«
»Soll das ein Witz sein? Wie das denn?«
»Ich hab ihnen gesagt, dass das ein Schul-Event ist, wo auch Erwachsene sind, und dass alle meine Freundinnen auch hingehen.«
»Aber das stimmt doch alles nicht, Beth!«
»Na und?« Sie verdreht die Augen.
Was für ein durchtriebenes Genie meine Schwester ist!
Während ich noch damit kämpfe, das alles zu verdauen, kommt mir ein anderer
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