CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
für 3000 weitere, die seither im Irak und in Afghanistan ums Leben kamen. Das folgenreichste Vergehen der CIA bestand darin, dass sie ihren eigentlichen Auftrag nicht zu erfüllen vermochte: den Präsidenten über das zu informieren, was in der Welt geschieht.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges hatten die Vereinigten Staaten überhaupt keine nennenswerte Auslandsaufklärung und wenige Wochen nach Kriegsende immer noch so gut wie keine. In wahnwitziger Hast wurde der Nachrichtendienst demobilisiert, und übrig blieben einige hundert Mann, die ein paar Jahre Erfahrung in der Welt der Geheimnisse hatten und von dem Willen beseelt waren, den Kampf gegen einen neuen Feind fortzusetzen. »Alle Großmächte, ausgenommen die USA, haben seit langem ihre weltweit operierenden ständigen Nachrichtendienste, die den höchsten Regierungsstellen direkt Bericht erstatten«, so der warnende Hinweis, den General William J. Donovan, Kommandeur der zu Kriegszeiten eingerichteten Spionageabteilung, des Office of Strategic Services (OSS), Präsident Truman im August 1945 zukommen ließ. »Bis zum letzten Krieg hatten die Vereinigten Staaten keinerlei geheimen Nachrichtendienst im Ausland. Nie besaßen sie ein koordiniertes System der Informationsgewinnung, sie haben es nicht mal jetzt.« Und leider ist das bis heute so geblieben.
Als ein solches System war die CIA gedacht. Aber der Entwurf dieses Nachrichtendienstes blieb eine eilig hingeworfene Skizze. Er war außer Stande, dem chronischen Schwachpunkt der USA abzuhelfen: Geheimhalten und Täuschen, das gehörte nicht gerade zu unseren Stärken. Nach dem Zusammenbruch des Britischen Weltreiches waren die Vereinigten Staaten die einzige Macht, die sich dem Sowjetkommunismus entgegenstellen konnte; und deshalb musste Amerika seine Feinde unbedingt kennenlernen, es musste den Präsidenten in Stand setzen, Vorsorge zu treffen, es musste Feuer mit Feuer bekämpfen, wenn es um das Zünden der Lunte ging. Die Hauptmission der CIA bestand darin, den Präsidenten vor einem Überraschungsangriff, einem zweiten Pearl Harbor, rechtzeitig zu warnen.
In den fünfziger Jahren füllten sich die Reihen der CIA mit Tausenden amerikanischen Patrioten. Viele waren tapfer und kampfgestählt. Manche hatten Lebenserfahrung. Nur wenige kannten den Feind wirklich. In Ermangelung echten Wissens über ihn erhielt die CIA vom Präsidenten die Order, den Gang der Geschichte durch Geheimaktionen zu verändern. »Politische und psychologische Kriegführung in Friedenszeiten war eine ganz neue Kunst«, so Gerald Miller, damals Leiter der verdeckten CIA-Operationen in Westeuropa. »Man kannte ein paar Techniken, aber was fehlte, waren Lehrsätze und Erfahrung.« Im Großen und Ganzen erschöpften sich die Geheimoperationen der CIA darin, blindlings draufloszustechen. Der Nachrichtendienst verfolgte einen einzigen Kurs: Learning by Doing, Lernen durch Fehler, die im Verlauf des Kampfes gemacht werden. Also wurden die Misserfolge im Ausland vertuscht und Präsidenten wie Eisenhower und Kennedy belogen. Diese Lügen wurden erzählt, um die Stellung der CIA in Washington nicht zu gefährden. Die Wahrheit, so Don Gregg, erfahrener Dienststellenleiter der CIA im Kalten Krieg, lautet, dass die Agency auf der Höhe ihrer Macht einen großartigen Ruf und eine schreckliche Bilanz vorzuweisen hatte.
Während des Vietnamkrieges vertrat sie, ganz wie die amerikanische Öffentlichkeit, auf eigenes Risiko einen anderen Standpunkt als die Regierung. Und ganz wie die amerikanische Presse musste sie entdecken, dass ihre Berichte abgelehnt wurden, wenn sie nicht zur vorgefassten Meinung des Präsidenten passten. Präsidenten wie Johnson, Nixon, Ford und Carter haben die CIA abgekanzelt und verachtet. Keiner von ihnen begriff, wie sie eigentlich funktionierte. Alle übernahmen ihr Amt, so schreibt Richard J. Kerr, ehemaliger stellvertretender CIA-Direktor, »in zweierlei Erwartung: entweder dass Auslandsaufklärung jedes Problem lösen müsste oder dass sie überhaupt nichts ausrichten könnte. Und irgendwann wechselten sie zur entgegengesetzten Sichtweise über. Dann fanden sie sich mit der Situation ab und schwankten zwischen den Extremen hin und her.«
Um als Institution in Washington überleben zu können, musste die Agency vor allem Gehör beim Präsidenten finden. Aber schon bald stellte sich heraus, dass es gefährlich war, ihm zu sagen, was er nicht hören wollte. Die CIA-Analysten lernten, sich eng an die gängigen
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