CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
infiltriert. Die japanische Botschaft in Lissabon habe herausgefunden, dass OSS-Offiziere vorhatten, ihre Codeverzeichnisse zu stehlen – daraufhin änderten die Japaner ihre Geheimcodes, was im Sommer 1943 »zum kompletten Ausfall unersetzlicher militärischer Informationen führte«. Einer von Parks Informanten sagte: »Wie viele Amerikaner im Pazifik diese Torheit des OSS mit dem Leben bezahlt haben, weiß keiner.« Und Park selbst schrieb, Falschinformationen des OSS nach dem Fall von Rom im Juni 1944 hätten Tausende französischer Soldaten auf Elba in einen Hinterhalt der Nazis gelockt: »Diese dem OSS unterlaufenen Irrtümer und Fehlkalkulationen der feindlichen Truppenstärke sind verantwortlich für den Tod von 1100 französischen Soldaten.«
Der Bericht griff auch Donovan persönlich an. Er behauptete, der General habe auf einer Cocktail-Party in Bukarest eine Aktentasche verloren, die »eine rumänische Tänzerin der Gestapo aushändigte«. Einstellung und Beförderung ranghoher Mitarbeiter seien bei ihm nicht auf Verdienste gegründet gewesen, sondern auf Beziehungen zu alten Kumpels aus der Wall Street und auf das Social Register, eine Art Who’s who der gesellschaftlichen Elite. Manche Kommandos habe er auf einsame Vorposten, wie etwa Liberia, geschickt – und dann einfach vergessen. Andere habe er aus Versehen über dem neutralen Schweden absetzen lassen. Außerdem hätte er Wachleute zum Schutz eines eroberten deutschen Munitionsdepots losgeschickt und dann das Ganze mit ihnen in die Luft gesprengt.
Park räumte ein, dass Donovans Männer mit einigen Sabotageaktionen und der einen oder anderen Rettungsaktion für abgeschossene Piloten Erfolg gehabt hätten. Er schrieb auch, die Recherche- und Analyseabteilung des OSS habe am Schreibtisch »hervorragende Arbeit« geleistet, woraus er schloss, die Analysten könnten nach dem Krieg im Außenministerium unterkommen. Aber alle Übrigen müssten gehen. »Da die OSS-Leute sich fast hoffnungslos kompromittiert haben«, so seine Warnung, »ist es undenkbar, dass ein geheimer Nachrichtendienst in der Nachkriegswelt mit ihnen arbeiten sollte.«
Nach dem Sieg der Alliierten am 8.Mai 1945, dem so genannten V-E Day, ging Donovan zurück nach Washington, um seinen Spionagedienst zu retten. Nach einem Trauermonat für Präsident Roosevelt brach dort ein wilder Machtkampf aus. Am 14.Mai hatte Harry Truman im Oval Office nicht einmal 15 Minuten für Donovan, als dieser ihm vorschlug, den Kreml zu unterwandern und damit den Kommunismus in Schach zu halten. Dann verabschiedete er ihn mit knappen Worten.
Den ganzen Sommer über startete Donovan eine Gegenoffensive im Kongress und in der Presse. Schließlich erklärte er Truman am 25.August, er müsse sich zwischen Wissen und Nichtwissen entscheiden. Die Vereinigten Staaten, so seine Warnung, hätten immer noch kein »koordiniertes System der Informationsgewinnung (…) Wie nachteilig und gefährlich diese Situation ist, haben viele erkannt.«
Donovan hoffte, er könne Truman, den er immer von oben herab behandelt hatte, nun durch Schmeicheleien zum Aufbau der CIA überreden. Aber er hatte seinen Präsidenten missverstanden. Truman war überzeugt, dass die von Donovan geplante Organisation die Merkmale einer Gestapo trug. Am 20.September 1945, sechs Wochen nach dem Abwurf der amerikanischen Atombomben auf Japan, entließ ihn der US-Präsident und wies das OSS an, sich binnen zehn Tagen aufzulösen. Amerikas Spionagedienst war abgeschafft.
2 »Die Logik der Gewalt«
Mitten in den Trümmern von Berlin fand Allen Dulles, damals der höchste OSS-Offizier in Deutschland, im Sommer 1945 eine prächtige und gut ausgestattete Villa für sein neues Hauptquartier. Sein Günstling, Lieutenant Richard Helms, unternahm erste Versuche, die Sowjets auszuspähen.
»Sie müssen bedenken«, sagte Helms ein halbes Jahrhundert später, »anfangs wussten wir nichts. Unsere Kenntnis von dem, was die andere Seite im Schilde führte, was sie plante und konnte, war gleich null oder fast gleich null. Hatte man ein Telefonbuch oder die Karte eines Flugplatzes aufgetrieben, dann war das schon etwas ganz Tolles. Ein Großteil der Welt lag für uns im Dunkeln.«
Helms war gern nach Berlin zurückgekommen; dort hatte er sich als 23-jähriger Reporter einer Nachrichtenagentur einen Namen gemacht, weil er während der Olympischen Spiele von 1936 ein Interview mit Hitler bekam. Als er von der Auflösung des OSS erfuhr, war er wie vor den Kopf
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