CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
wurden 15 geschlossen. Als sich Pearl Harbor zum vierten Mal jährte, kehrte Allen Dulles, in der festen Überzeugung, dass Truman die amerikanische Auslandsaufklärung ausgehebelt hatte, zurück an seinen Schreibtisch bei der von seinem Bruder John Foster Dulles mitbetriebenen New Yorker Anwaltsfirma Sullivan and Cromwell. Frank Wisner folgte seinem Beispiel und arbeitete wieder in seiner ebenfalls in New York ansässigen Anwaltsfirma Carter, Ledyard.
Die verbleibenden Nachrichtenanalysten wurden ins Außenministerium versetzt, wo sie das Personal eines neuen Recherche-Referats bilden sollten. Man behandelte sie wie Displaced Persons. »Ich glaube kaum«, schrieb Sherman Kent, später einer der Gründungsväter des Directorate of Intelligence, der für Nachrichtenverarbeitung zuständigen CIA-Sektion, »dass es in meinem Leben jemals eine trostlosere oder qualvollere Zeit gegeben hat oder noch einmal geben könnte.« Die Begabtesten gingen bald völlig entmutigt weg, zurück zu ihren Universitäten und Zeitungen. Ersatzkräfte blieben aus. Von nun an gab es viele Jahre lang in der US-Regierung keinerlei zusammenhängende nachrichtendienstliche Berichterstattung.
Die Überwachung der geordneten Demontage der amerikanischen Kriegsmaschinerie hatte Präsident Truman in die Hände seines Haushaltsdirektors Harold D. Smith gelegt. Doch die Demobilisierung geriet zum heillosen Zerfall. Am selben Tag, als der Präsident die Zerschlagung des OSS anordnete, erhielt er von Smith ein warnendes Schreiben: Die Vereinigten Staaten seien in Gefahr, zu jener Ahnungslosigkeit zurückzukehren, die vor Pearl Harbor geherrscht hatte. Er fürchte, der amerikanische Nachrichtendienst sei mittlerweile »total ruiniert« worden. Auf einer eilig anberaumten Sitzung am 9.Januar 1946 erklärte Admiral William D. Leahy, Trumans bärbeißiger Marinestabschef, dem Präsidenten in harschen Worten: »Der Geheimdienst ist schändlich behandelt worden.«
Truman erkannte, dass er ein heilloses Chaos angerichtet hatte, und beschloss, die Sache in Ordnung zu bringen. Er ließ den stellvertretenden Direktor des Marinenachrichtendienstes, Rear Admiral Sidney W. Souers, zu sich kommen. Souers war Reserveoffizier, ein treuer Anhänger der Demokratischen Partei aus Missouri und ein reicher Geschäftsmann, der sein Geld in der Lebensversicherungsbranche und mit Piggly Wiggly, Amerikas erster Kette von Selbstbedienungs-Supermärkten, verdiente. Nach dem Krieg hatte er in einer vom Marineminister James Forrestal ins Leben gerufenen Kommission mitgearbeitet, die die Zukunft des Nachrichtendienstes untersuchte; aber eigentlich hatte er nichts Großartigeres im Sinn als die rasche Rückkehr nach Saint Louis.
Zu seinem Entsetzen musste Souers feststellen, dass der Präsident im Begriff war, ihn zum ersten Direktor des zentralen Nachrichtendienstes zu machen. Den Augenblick der Amtseinführung hat Admiral Leahy in seinem Diensttagebuch am 24.Januar 1946 festgehalten: »Heute zum Mittagessen im Weißen Haus, anwesend nur Mitglieder des Stabes, Rear Admiral Sidney Souers und ich erhielten jeder einen schwarzen Umhang, einen schwarzen Hut und einen Holzdegen« von Truman geschenkt. Dann schlug der Präsident Souers zum Ritter und Chef der »Mantel-und-Degen-Schnüfflergruppe« sowie zum »Direktor der zentralisierten Schnüffelei«. Diese Comedy-Nummer beförderte den sprachlosen Reservisten an die Spitze jener schlecht konzipierten, kurzlebigen Organisation, die den Namen Central Intelligence Group (Zentrale Nachrichtengruppe oder CIG) erhielt. Souers war nun verantwortlich für fast 2000 Nachrichtendienstler und Hilfskräfte, die über die Akten und Dossiers von etwa 400 000 Personen verfügten. Viele von ihnen hatten nicht die geringste Ahnung, was sie da taten oder was sie tun sollten. Irgendjemand fragte Souers nach seiner Vereidigung, was er jetzt gern tun würde. »Ich möchte nach Hause«, sagte er.
Wie alle Direktoren, die auf ihn folgten, bekam er eine große Verantwortung aufgeladen – aber ohne die entsprechende Machtbefugnis. Das Weiße Haus gab keinerlei Richtlinie vor. Das Vertrackte war, dass niemand wirklich wusste, was der Präsident wollte, und am wenigsten dieser selbst. Truman sagte, er brauche nichts weiter als tägliche Auszüge aus den Geheimnachrichten, damit er nicht jeden Morgen einen 50 Zentimeter dicken Stapel Telegramme durchlesen müsse. Die Gründungsmitglieder der Central Intelligence Group hatten den Eindruck, als sei dies
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