City Vampire - Gefaehrliches Spiel in Paris
Frankreich hatte Blanka es verstanden, die Position des französischen Königtums gegenüber dem englischen zu festigen. Ihr Mann Ludwig VIII., mit dem sie 1223 zusammen gekrönt worden war, starb bald in einem Kreuzzug. Als Witwe führte sie dann erfolgreich die Regentschaft für ihren kleinen Sohn Ludwig IX., der mit dem Beinamen der Heilige in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Er hatte vieles seiner mutigen Mutter Blanka zu verdanken und hatte sie auch Zeit ihres Lebens und über ihren Tod hinaus hoch geschätzt. Seine Regentschaft bedeutete für Frankreich ein goldenes Zeitalter – denn obwohl Blanka sich nach seinem Amtsantritt aus der Politik zurückzog, war ihr guter Einfluss nach wie vor groß. Vor allem, so die Geschichte, sei sie stets darauf bedacht gewesen, für die Armen im Land zu sorgen – kaum verwunderlich, schließlich war ihr Onkel König Richard Löwenherz. Schon ihre Zeitgenossen hatten erkannt, dass Blanka zu den stärksten und politisch ambitioniertesten Frauengestalten ihrer Epoche zählte und sie war heute nach wie vor eine der herausragenden Frauengestalten in der mittelalterlichen Geschichte Frankreichs. Als faktisch erste weibliche Regentin des Landes wurde sie stets als Segen für das Jahrhundert bezeichnet.
Blanka war also eine große Persönlichkeit gewesen, das war Elaine klar. Doch der Wert eines Gemäldes wurde in der Regel dadurch bemessen, wer es gemalt hatte und wann – und nicht, wen es zeigte. Und soweit Elaine wusste – und sie wusste dank Victor sehr viel über Kunst – hatte kein bekannter Maler sie je portraitiert. Es musste also ein eher unbekanntes und damit nicht außergewöhnlich wertvolles Gemälde sein. Was sollte das? Warum ging dieser Jerome ein solches Risiko ein, um in dessen Besitz zu gelangen? Elaine drehte den Gedanken im Kopf hin und her, bis sie ihn von allen Seiten betrachtet und doch keine Lösung gefunden hatte. Sie kam zu dem Schluss, dass es keinen Sinn machte, sich weiter das Hirn darüber zu zermartern. Wer konnte schon wissen, was einen gefährlichen Kriminellen zu seinen Taten trieb? Elaine hielt kurz inne. Naja… kriminell war sie auch gewesen, lange Zeit sogar. Aber sie war nicht wie Jerome Roussaux. Sie hatte nie mit dem Leben eines anderen Menschen gespielt. Niemals jemanden bedroht oder in Gefahr gebracht. Nein, sie hatte rein gar nichts gemeinsam mit diesem Erpresser.
Elaine schob die Gedanken an Jerome und seine Beweggründe beiseite; es ging sie nichts an. Ihr Job war es, das Bild zu beschaffen. Der Rest war seine Angelegenheit.
Sie legte die Unterlagen beiseite und ging hinüber ins Bad. Dort drehte sie den Wasserhahn an der Badewanne auf. Es war wichtig, dass sie zur Ruhe kam, sich ein wenig entspannte. Der morgige Tag würde anstrengend werden – und nicht nur der morgige. Mathis’ Leben hing davon ab, dass sie ihre Aufgabe gut erledigte. Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen. Sie hatte geschworen, immer gut auf ihren kleinen Bruder aufzupassen und nun war er in Lebensgefahr. Wegen ihr, wegen dem, was sie früher getan hatte. Wenn ihm etwas zustieß, war das allein ihre Schuld.
Elaine atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Sie hob den Kopf und starrte ihr Spiegelbild an. Ihre Augen waren gerötet von den Tränen, die noch immer darin brannten und unbedingt heraus wollten, ihr Haar feucht vom Regen, dem sie nicht gänzlich hatte entgehen können. Mit einem Ruck stieß sie sich vom Waschbecken ab und ging zurück zur Wanne. Sie streifte ihre Kleidung ab und ließ sich langsam in das heiße Wasser gleiten. Die Wärme umschloss sie, hüllte sie ein, und sie spürte, wie ihre angespannten Muskeln sich ein wenig entspannten. Sie war gut in diesem Job. Ein wenig aus der Übung vielleicht, aber mit Sicherheit noch immer eine der Besten. Sie würde diesen Job professionell erledigen und Mathis wohlbehalten zu ihr zurückkehren – ganz sicher.
Kapitel 6
Ganz früh am nächsten Morgen machte Elaine sich auf den Weg zur Laurent Fourniers Villa. Im Café hatte sie sich krankgemeldet – das tat sie sonst nie, daher glaubte man ihr sofort, dass es ihr nicht gut ginge. Ihr Chef bestand darauf, dass sie sich erst gründlich auskuriert, bevor sie wieder erschien. Nun, diesen Gefallen würde sie ihm leider tun, soviel stand fest.
Sie parkte ihren Wagen ein gutes Stück abseits unter einer Baumgruppe, die knapp hundert Meter von dem Anwesen entfernt auf einer kleinen Anhöhe wuchs. Von dort aus hatte sie
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