Clark Mary Higgins
ständiger Sorge angenommen. Sie
wünschte sich so sehr, ihren Töchtern schöne Dinge zu schenken, Dinge, die sie sich nicht leisten konnten. Nicht selten fuhr
er sie an: »Warum gibst du ihnen nicht lieber ein glückliches
Zuhause statt einen Haufen überflüssigen Kram!«
Die letzten Jahre waren wegen der Schulgelder besonders
quälend gewesen. Es war einfach nie genug Geld vorhanden.
Und die tausend Dollar, die er Ethel jeden Monat bezahlen mußte, bis sie wieder heiratete oder starb, waren zu einem ständigen
Zankapfel geworden, den Ruth ihm bei jeder Gelegenheit vorhielt. »Geh endlich wieder vor Gericht«, nörgelte sie. »Sag dem
Richter, daß du es dir nicht leisten kannst, deinen Kindern eine
anständige Ausbildung zu bezahlen, aber daß diese Schmarotzerin ein Vermögen verdient. Sie hat dein Geld überhaupt nicht
nötig. Sie hat mehr, als sie ausgeben kann.«
Ihr letzter Krach in der vergangenen Woche war der allerschlimmste gewesen. Ruth hatte in der Post gelesen, daß Ethel
gerade einen Buchvertrag unterschrieben und einen Vorschuß
von einer halben Million Dollar bekommen hatte. Ethel hatte
verlauten lassen, ihre Enthüllungsgeschichte würde »eine in die
Modebranche geschleuderte Stange Dynamit« sein.
Für Ruth war dies der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen
brachte. Dies und der ungedeckte Scheck. »Jetzt geh hin zu dieser… dieser…« Ruth fluchte nie, aber es war, als ob sie das unausgesprochene Wort herausgeschrien hätte. »Du kannst ihr
ausrichten, daß ich zu der Zeitung hingehen und den Journalisten erzählen werde, wie sie dich aussaugt. Zwölftausend Dollar
pro Jahr, seit über zwanzig Jahren!« Mit jeder Silbe wurde
Ruths Stimme schriller. »Ich möchte aufhören zu arbeiten. Ich
bin zweiundsechzig. Das nächste, was auf uns zukommt, werden
Hochzeiten sein. Bis zum Grab können wir ein Würgehalsband
tragen! Du kannst ihr sagen, daß sie in der Tat für Neuigkeiten
sorgen wird. Meinst du nicht, ihre feinen Zeitschriften könnten
vielleicht Anstoß daran nehmen, daß eine ihrer feministischen
Mitarbeiterinnen ihren Ex-Mann erpreßt?«
»Es ist keine Erpressung. Es sind Alimente.« Seamus hatte
versucht, einen vernünftigen Ton beizubehalten. »Aber natürlich, ich werde zu ihr gehen.«
Ruth sollte am späten Sonntag nachmittag zurückkommen.
Um die Mittagszeit am Sonntag raffte Seamus sich aus seiner
Lethargie auf und machte sich daran, die Wohnung zu putzen.
Vor zwei Jahren hatten sie auf die Reinemachefrau verzichtet,
die einmal in der Woche gekommen war. Seither teilten sie
sich in die lästige Hausarbeit, die von Ruths ewigem Klagelied
begleitet wurde. »Das ganze Wochenende den Staubsauger
herumschieben ist genau das, was mir nach der Fahrerei in der
überfüllten U-Bahn noch gefehlt hat!« Letzte Woche war sie
auf einmal in Tränen ausgebrochen. »Ich kann einfach nicht
mehr!«
Um vier Uhr war die Wohnung einigermaßen in Ordnung. Sie
hätte neu gestrichen werden müssen. Das Linoleum in der Küche war abgetreten. Das Haus war an eine Eigentümergemeinschaft verkauft worden, aber sie hatten sich den Kauf ihrer
Wohnung nicht leisten können. Nach zwanzig Jahren hatten sie
nichts vorzuweisen als ihre Mietquittungen.
Seamus stellte Käse und Wein auf den kleinen Tisch im
Wohnzimmer. Die Möbel waren ausgeblichen und abgenutzt,
aber im sanften Licht des Spätnachmittags sahen sie nicht einmal so schlimm aus. Noch drei Jahre, dann würde Jeannie mit
dem College fertig sein. Marcy war schon im letzten und Linda
im vorletzten Studienjahr. So verging das Leben mit ständigen
Wünschen, dachte er.
Je näher die Zeit von Ruths Heimkehr rückte, desto mehr zitterten seine Hände. Würde sie merken, daß irgend etwas an ihm
anders war?
Sie traf um Viertel nach fünf ein. »Der Verkehr war fürchterlich«, verkündete sie mißgelaunt.
»Hast du ihnen den Barscheck gebracht und die Panne mit
dem anderen Scheck erklärt?« fragte er und versuchte, den herausfordernden Ton in ihrer Stimme nicht zu beachten.
»Worauf du dich verlassen kannst. Und ich kann dir auch sagen, daß der Quästor ganz schön schockiert war, als ich ihm
erzählte, daß Ethel Lambston seit vielen, vielen Jahren Alimente
von dir einkassiert. Vor einem halben Jahr war Ethel dort in
irgendeinem Ausschuß und posaunte viel herum von gleicher
Bezahlung für Männer und Frauen.« Ruth nahm das Glas Wein,
das er ihr reichte, und trank einen großen Schluck.
Mit Schrecken
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