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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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allzu große Hoffnungen. »Der Kunde glaubt, es bestehe vielleicht eine Verbindung zu der ersten Ehefrau …«
    Ich schlug die Akte auf. Fünf oder sechs bedruckte Seiten und das Schwarzweißfoto einer hübschen Frau Anfang dreißig.
    Bernard nickte. »Cleopatra Cleveringa.«
    »Die ist doch bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen?«
    »Das ist jedenfalls die allgemeine Überzeugung.«
    Die allgemeine Überzeugung. »Wer ist der Kunde?«
    Ich wusste, dass diese Frage sinnlos war. Es gibt hundert Gründe, warum das Büro, jedenfalls den freien Mitarbeitern gegenüber, seine Auftraggeber so lange wie möglich geheim hält. »Ich werde den üblichen Vorschuss überweisen und es gelten die üblichen Bedingungen.«
    Er fragte gar nicht erst, ob ich Zeit hätte, denn er wusste nur allzu gut, dass er so ziemlich mein einziger Auftraggeber war, auch wenn es ihm wahrscheinlich nie in seinen kalvinistischen Sinn gekommen wäre, diesen Umstand auszunutzen.
    »Die Kripo ist informiert«, sagte Meulendijk. »Sei vorsichtig. Es handelt sich um Cleveringa.«
    »Ich werde Messer und Gabel benutzen«, versprach ich. »Falls er mich zum Essen einlädt, ich meine zum Diner.«
    Er ging bereits zur Tür hinaus, in seiner gewohnt würdevollen Art, ohne Eile.
    Vor hundert Jahren war der Vechtstreek eine äußerst idyllische Gegend, mit luxuriösen Häusern auf weitläufigen Grundstücken am Fluss, dahinter hauptsächlich Wald und Wiesen, während das gewöhnliche Volk im Amsterdamer Jordaan-Viertel oder in Wijk C in Utrecht lebte. Allerdings waren die Niederlande ursprünglich auch nur für höchstens fünf Millionen Menschen gedacht.
    Die schönen Häuser gibt es auch heute noch dort, doch es sind viele neue hinzugekommen, weshalb sie um einiges dichter gedrängt stehen. Auf der anderen Seite der Straße mussten die früheren Wiesen und Wälder inzwischen großen Wohnsiedlungen weichen. Auch die Arbeitslosigkeit ist höher geworden. Menschen im Allgemeinen sind nett, aber zu viele von ihnen auf engem Raum schaffen Probleme.
    Alle Häuser tragen Namen. Sie sind meistens in schmiedeeisernen Lettern an den hohen Zäunen aus ebenso feinem Schmiedeeisen mit vergoldeten Spitzen angebracht. Die Häuser heißen ›Streitlust‹, was unnötig aggressiv klingt oder, ebenso doppelsinnig, ›Landsorge‹.
    ›Buchenstein‹ lag hinter einer verwitterten, efeubewachsenen Steinmauer direkt am Rijksweg, von der Straße durch einen Streifen Gras und eine Anpflanzung junger Eichen getrennt. Die Torflügel standen offen. Hinter der Mauer befand sich das ehemalige Kutschenhaus, das anscheinend in eine Unterkunft für Personal umgebaut worden war. Ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, doch zu meiner Verwunderung hielt mich niemand auf, als ich langsam durch das Tor fuhr und der Auffahrt mit platt gefahrenem Kies durch eine lange Allee hoher Buchen folgte.
    Das Grundstück musste mindestens einen Hektar groß sein. Alles hier war alt, würdevoll und auch ein wenig kalt – die Bäume, das dünne Waldgras, die leicht vergilbten Rasenflächen, die riesigen Rhododendren. Der Bulldozer wirkte hier ebenso fehl am Platz wie eine Stripteasetänzerin bei der Abendandacht unserer strenggläubigen Evangelischen Rundfunkanstalt. Ich manövrierte meinen BMW zwischen die Buchen und spazierte zum Bauplatz hinüber.
    Die Arbeit ruhte und es war niemand zu sehen. Die Umzäunung war abgerissen worden; damit hatten die Arbeiter natürlich angefangen. Neben dem aufgewühlten Rechteck des Tennisplatzes lagen Rollen von Maschendraht. Der Bulldozer stand mit abgesenktem Schild in einem Graben von etwa einem Meter Tiefe, neben dem sich zu beiden Seiten Berge von rotem Ziegelgrus, Erde und Betonbrocken mit entzweigerissenen Moniereisenmatten auftürmten.
    Ich sprang in die Grube und ging zu der Stelle, an der der Bulldozer seinen letzten Happen genommen hatte. Nach meiner dünnen Akte hatte Bauunternehmer Hendriks den Fahrer angewiesen zu stoppen, als er den Fuß eines Skeletts aus dem Erdwall ragen sah. Hendriks war so vernünftig gewesen, alles so zu lassen, wie es war, und die Polizei anzurufen.
    Ich begutachtete den Rand des Grabens. Unter der alten Betondecke war ein Hohlraum zu sehen, aus der das Gerippe vorsichtig von Hand ausgegraben worden war. Über der Betonschicht befand sich eine zehn Zentimeter dicke Lage aus Sand gemischt mit grobem Splitt und darüber eine Schicht von platt gewalztem, orangefarbenem Tennisgrus.
    »He!«, sagte jemand.
    Ich drehte mich um.

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