Cleopatra
feststellen, dass man, um Streit und Vorwürfe zu vermeiden, am besten so tut, als käme man geradewegs aus dem Mutterschoß oder aus dem Kloster. Selbst der einen von zehn würde ich nicht trauen.
»Sie hieß Cleopatra, richtig? Sie stammte aus Twente?«
»Cleopatra Teulings. Die Teulings aus der Textilbranche.« Sie fügte nichts weiter hinzu, aber es klang wie ›Was kann man da schon anderes erwarten‹.
»Cleopatra – das ist ein seltener Name. Hatte ihr Vater eine Schwäche für die ägyptische Königin?«
Sie lächelte andeutungsweise, wieder ein wenig herablassend. »Eher für Elizabeth Taylor, glaube ich.«
Ich erwiderte ihr Lächeln. »War Cleopatra die Alleinerbin der Textilfirma?«
»Nach solchen Dingen fragen Sie besser meinen Mann, falls es überhaupt erforderlich ist, was ich bezweifle«, antwortete sie abweisend.
»Es gibt eine Tochter aus erster Ehe, nicht wahr?«
»Lonneke war acht, als ihre Mutter verunglückte. Ich habe sie großgezogen. Wir selbst haben keine Kinder. Ich fand es schön, dass Lonneke da war. Doch das hat gewiss nichts mit dem Skelett unter dem Tennisplatz zu tun.«
»Ich bin nun einmal neugierig«, sagte ich. »Und ich habe festgestellt, dass es manchmal Verbindungen zwischen gewissen Dingen gibt, selbst wenn alle Welt hoch und heilig schwört, es sei nicht der Fall.«
»Ich schwöre gar nichts«, bemerkte sie. »Ist das der Aspekt, den Sie untersuchen?«
»Ich bemühe mich nur, Ordnung in die ganze Sache zu bringen.«
Ich griff nach meinem Glas, nahm einen Schluck und beobachtete sie.
»Die Polizei hat doch einen Verdächtigen?«, fragte sie.
»Nicht definitiv.« Man war sich praktisch sicher, aber wenn ich das zugegeben hätte, hätte ich sofort auf dem Absatz kehrtmachen können. »Für Lonneke muss es ein harter Schlag gewesen sein.«
»Sie kommen wirklich immer wieder darauf zurück!«
»Ja.«
Sie seufzte. »Als ich Josef heiratete, war Lonneke ein überaus stilles und verschlossenes Kind. Wir hatten es nicht leicht mit ihr. Sie schrieb Briefe an ihre Mutter: An meine Mutter, im Himmel.«
Ich lächelte mitfühlend. »Der Tennisplatz wurde vor fünfzehn Jahren angelegt?«
»Ja, in erster Linie für Lonneke. Zuerst ein Betonplatz mit Rasen, später haben wir dann Grus aufschütten lassen.«
»Wann war das?«
»Vor zwölf Jahren. Lonneke spielte mit ihren Schulfreunden und -freundinnen und manchmal mit mir.«
»Aber Sie spielen inzwischen kein Tennis mehr?«
»Meine Gelenke begannen, mir Probleme zu bereiten.« Sie rieb sich über den Ellbogen. »Josef wurde zum Minister ernannt und hatte keine Zeit mehr. Und Lonneke ging aus dem Haus.«
»Nach ihrer Heirat?«
»Ja, vor sieben Jahren. Die Ehe ist vor kurzem geschieden worden. Sie zieht mit den Kindern wieder hierher. Jedenfalls vorläufig. Ich freue mich schon darauf. Ich habe Lonneke sehr gern; sie ist für mich wie meine eigene Tochter.«
»Hat sie jung geheiratet?«
Sie wandte den Blick ab, als wolle sie sich der unvermeidlichen Frage nach dem Grund entziehen. »Sie war kaum zwanzig.«
»Und Ihr Mann ließ den Tennisplatz aufreißen, um stattdessen einen Swimmingpool zu bauen?«
»Ja, für Lonneke und die Kinder.«
»Hat er schon immer in diesem Haus gewohnt?«
Sie nickte. »Josef war der älteste Sohn, er hat es geerbt.«
»Ich habe den Gärtner und das Dienstmädchen gesehen. Gibt es außer ihnen noch anderes Personal?«
»Eis ist erst seit ein paar Jahren hier. Drei Vormittage die Woche haben wir eine Putzfrau und die ehemalige Haushälterin Glinka wohnt bei uns. Sie hat ihr eigenes Apartment im Obergeschoss.«
»Glinka?«
»Sie stammt aus Polen, ist aber schon so lange man denken kann bei Josefs Familie.«
»Mir ist aufgefallen, dass ich ohne weiteres auf Ihr Grundstück fahren konnte.«
Sie lächelte nachsichtig. »Josef und ich möchten nicht in einer Festung leben, umgeben von Starkstromzäunen und mit Dobermännern im Garten. Tom, der Chauffeur, wohnt mit seiner Frau im Kutschenhaus. Er hält die Augen offen und nachts schalten wir eine Alarmanlage ein. Dieses Zugeständnis mussten wir machen.«
»War Tom vor fünfzehn Jahren auch schon hier?«
»Er kam, als Josef Minister wurde. Danach ist er geblieben. Mein Mann ist immer noch politisch aktiv«, fügte sie als Erklärung hinzu. »Man will ihn sogar wieder als Spitzenkandidaten aufstellen. Tom wurde, wie man heutzutage sagt, sorgfältig gescreent. Seine Frau Liesbeth war bis zu ihrer Heirat Polizistin.« Sie lächelte. »Wir
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