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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Am Rand der Grube stand ein Mann. Er war circa vierzig Jahre alt, hatte einen knochigen Schädel, kurz geschnittenes schwarzes Haar und dunkle Augen. Die Armeehose und der handgestrickte blaue Wollpulli wirkten wie Arbeitskleidung, aber er konnte die Schaufel, die er mit beiden Händen umklammerte, natürlich auch ergriffen haben, um damit Eindringlinge vom Gelände zu prügeln.
    »Guten Tag«, sagte ich und ging vorsichtig auf ihn zu.
    »Das ist Privatgelände, Sie haben hier nichts zu suchen!«
    »Ich komme vom Büro Meulendijk«, sagte ich. »Im Zusammenhang mit, äh …« Ich zeigte hinter mich. Manchmal wirken Meulendijks unvollständige Sätze ansteckend auf mich. »Mein Name ist Winter. Wohnen Sie hier?«
    »Ich?« Der Mann grinste. »Ich bin zwei Nachmittage die Woche hier. Kaffee in der Küche, die Stiefel ausziehen und auf Strümpfen reingehen. Meulendijk? Wer ist denn das?«
    »Der Staatsanwalt.«
    Der Mann war sofort angespannt. So geht es fast jedem, wenn das Wort ›Staatsanwalt‹ fällt, denn jeder hat irgendetwas zu verbergen. Es hat nichts weiter zu bedeuten.
    »Ich dachte, Sie wären von der Presse«, sagte er mürrisch. »Ich bin Willem Hekking.«
    Ich lächelte ihn an. »Waren Sie dabei, als das Skelett gefunden wurde?«
    »Nein, das war an einem Dienstag.« Er trat zurück, als ich aus der Grube kletterte. »Die Polizei ist schon lange weg; es ist doch alles klar?«
    »Klar? Meinen Sie ›klar und deutlich‹ oder ›klar‹ im Sinne von ›abgeschlossen‹?«
    Hekking runzelte die Stirn. »Ich dachte, die Polizei wäre hier fertig. Sie haben doch jeden verhört. Mich auch.« »Sind Sie der Gärtner?« Ich hielt ihm meine Gauloises hin, damit seine Hände etwas anderes zu tun bekamen, als nervös über den Stiel der Schaufel zu streichen, doch er verzog nur angewidert das Gesicht.
    »Gärtnern ohne Gift«, sagte er in einem Ton, als gäbe er diesen Witz schon zum Besten, seit das Buch mit diesem Titel erschienen war. Allerdings ging er damals noch zur Grundschule.
    »Ist Herr Cleveringa ein guter Chef?«
    »Der beste, den man sich denken kann. Warum?« Er schüttelte den Kopf. »Der Minister hat mit dieser Sache nichts zu tun.«
    »Warum nicht?«, fragte ich.
    »Das ist doch ganz einfach. Dann hätte er doch den Tennisplatz nicht wegmachen lassen.«
    »Warum lässt er ihn denn überhaupt aufreißen?«
    Hekking seufzte. »Das weiß die Polizei doch! Er will ein Schwimmbad draus machen.«
    »Der Minister sieht mir aber nicht gerade wie ein Schwimmfanatiker aus.«
    Kurz schien seine Hand die Schaufel fester zu umklammern, als beleidige ich seinen hochverehrten Arbeitgeber.
    »Es ist für seine Tochter«, erklärte er dann. »Sie ist geschieden und zieht hier ein, zusammen mit ihren Kindern. Sie wollte ein Schwimmbad draus machen. Der Tennisplatz wird sowieso nie benutzt.«
    »Es war also nicht seine Idee«, stellte ich fest.
    »Nein«, gab er zu. »Aber das ändert nichts. Man kann schließlich graben, wo man will.«
    Hohe Fenster, schwere Möbel und hier und dort persische Teppiche auf dem dunkel gebohnerten Parkettfußboden. So sehen die Häuser von Notaren und alten, wohlhabenden Familien aus. Sie riechen nach Staub, aber es gibt keinen Staub. Es gibt Personal. Die Fernseher sind in antiken Büfetts verborgen, weil moderne Kommunikationsmittel genauso peinlich sind wie ein schwangeres Dienstmädchen. Die Zeit hat sich auf den vergoldeten Rahmen strenger Familienporträts und den ledergebundenen Büchern hinter Glas abgelagert. Niemand erhebt die Stimme.
    »Mevrouw wird gleich bei Ihnen sein«, flüsterte das Dienstmädchen und schloss die schwere Eichentür hinter mir.
    Ich fühlte mich unbehaglich, obwohl mich Tradition zu Tränen rühren kann und das Dienstmädchen unter ihrer gestärkten Schürze alles andere als schwanger aussah. Durch die Atmosphäre in diesem Haus kam ich mir beinahe vor wie ein Pächter, der mit der Mütze in der Hand beim Grafen auch im Namen seiner Frau und seiner acht mageren Kinderchen darum bettelt, die Räumung noch ein Jahr hinauszuschieben, weil er sein Leben ändern und nie wieder betrunken auf dem Kutschbock sitzen wolle.
    Ich war Helene Cleveringa ein einziges Mal von Angesicht zu Angesicht begegnet und hatte sie danach natürlich genauso wie die übrige Bevölkerung zahllose Male im Fernsehen und in Zeitungen und Zeitschriften gesehen, meistens auf Auslandsreisen in Begleitung ihres Mannes und bei diplomatischen Anlässen oder Geburtstagen im Königshaus.
    Sie

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