Club Kalaschnikow
Mann und Sohn, kochte Suppen, hielt die riesige Wohnung blitzblank, legte im Sommer auf der Datscha Beete mit Dill und Salat an und zog bei den üppigen Gelagen zu Hause die Schürze nicht aus. Ihre Juliennes, ihre Piroggen mit Dörrfisch, ihre mit Äpfeln gefüllten Gänse, Spanferkel und Sahnetorten waren in Moskauer Film- und Theaterkreisen berühmt.
Längst hätte man schon ein Hausmädchen anstellen und Nadja entlasten können. Aber Nadja war in all diesen Jahren zu einer fanatischen Hausfrau geworden. Sie brachte es nicht fertig, die Sauberkeit im Haus und die Ernährung von Mann und Sohn jemand anderem anzuvertrauen.
Allmählich verwandelte sie sich auch äußerlich, wurde zu einer dicken, ältlichen Matrone. Man vergaß, daß auch sie einmal eine Schauspielerin gewesen war, die an Talent nicht hinter ihrem Mann zurückgestanden hatte. Natürlich wußte Nadja, daß Konstantin sie betrog. Er brauchte den Zustand der Verliebtheit wie die Luft zum Atmen. Anders konnte er nicht arbeiten. Aber Verliebtheit und Familie sind zwei Paar Schuhe. Konstantin würde nicht fortgehen. Er war an das wohlgeordnete, bis ins letzte organisierte, bequeme Leben gewöhnt, an die gemütliche stille Nadja, die ihn hätschelte wie ein neugeborenes Kälbchen und sich nichts anderes wünschte. Welche andere Frau wäre zu solcher Selbstaufopferung in der Lage gewesen? Welches junge Ding würde die Hemdenstapel bügeln, die Pullover aus Alpaka und Kaschmir eigenhändig im Waschbecken waschen, die hellen Wildlederstiefel vom Novemberschlamm säubern, kiloschwere Einkaufstaschen vom Markt schleppen, zweimal in der Woche ein paar Dutzend Gäste bewirten und dann, wenn sie gegangen waren, bis vier Uhr morgens die Wohnung aufräumen und das Geschirr spülen? Welches junge Ding würde sich um Konstantins Verdauung kümmern, mit allen unerfreulichen medizinischen Details? Verliebtheit ist Poesie, der Alltag jedoch ist schmutzige, undankbare Prosa. Besondersder Alltag des genialen Schauspielers Konstantin Iwanowitsch Kalaschnikow.
Doch Nadja irrte sich. Sie hatte nicht bedacht, daß man die Einkaufstaschen auch in den Kofferraum eines Autos stellen, die Hemden von einer gutbezahlten Hausangestellten bügeln lassen und die zarten Alpaka-Pullover in eine teure chemische Reinigung bringen kann, daß der Alltag, wenn genügend Geld vorhanden ist, keine heroischen Anstrengungen mehr verlangt.
Das Unglück trat in Gestalt einer rothaarigen Schauspielschülerin, der zwanzigjährigen Margarita Krestowskaja, in Nadjas Leben. Die malachitfarbenen Mandelaugen dieser jungen Frau, ihre zierliche Figur, ihr roter sinnlicher Mund erwiesen sich als weitaus bedeutsamer als die langjährigen gemütlichen Gewohnheiten.
Margarita war stürmisch und unvernünftig. Kalaschnikow fühlte sich wie ein kleiner Junge unter dem Weihnachtsbaum – er kneift die Augen zu, und als er sie wieder öffnet, ist nicht mehr die siebenundfünfzigjährige, dicke, treue Nadja an seiner Seite, sondern die frische, fröhliche Margarita. Ein herrliches, kostbares Geschenk, ein Jungbrunnen für das reife Alter.
Das Wohnungsproblem wurde leicht und schnell gelöst. An Geld mangelte es nicht. Nadja siedelte widerspruchslos, wie betäubt, in eine solide kleine Zweizimmerwohnung um. Saubere Luft, Ruhe, eine Heilquelle nur zwei Schritt vom Haus entfernt – war das nicht genau das Richtige in ihrem Alter?
Ihr Sohn Gleb wurde Geschäftsmann, und auch Konstantin war seit längerem aktiv in irgendeinem komplizierten Geschäft tätig, das mit Film, Fernsehen und Werbung zu tun hatte. Sohn und Ex-Mann kümmerten sich aufrichtig darum, daß es Nadja auf ihre alten Tage an nichts fehlte.
Während er allein in seinem Pariser Lieblingscafé saß, dachte Kalaschnikow plötzlich daran, daß er in all den vielenJahren Nadja kein einziges Mal mit nach Paris genommen hatte. Sie war alt geworden, ohne Paris gesehen zu haben.
Übrigens war es ihre eigene Entscheidung gewesen. Sie selbst hatte beschlossen, sich für sein Talent und seine Karriere zu opfern. Niemand hatte sie dazu gezwungen. Sie war einmal eine Schönheit gewesen, eine begabte Schauspielerin, und hatte alles fürs Waschen und Kochen aufgegeben – freiwillig. Wer war denn schuld, daß sie alt, dick und langweilig geworden war? Niemand. Nadja beschuldigte auch niemanden, nur ihr Blick wurde mit den Jahren immer stumpfer.
Konstantin seufzte und runzelte die Stirn. Schon seit drei Jahren mußte er sich immer dieselben tröstenden
Weitere Kostenlose Bücher