Cobra
kurz- oder die langfristige Wirkung meinst. Es stimmt, ich bin von meinem Posten als Gouverneur zurückgetreten, und was das betrifft, hat Priesly gewonnen. Und es ist auch richtig, dass dein angebliches Versagen es anderen Frauen erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen wird, bei den Cobras einzutreten.«
Jin schnaubte. »Und was sind all die tollen Ziele, die wir langfristig dabei erreicht haben? Die Tatsache, dass Qasama vorübergehend vor den Einmischungen der Trofts sicher ist?«
»Unterschätze das nicht«, meinte Justin leicht tadelnd. »Mangus war tatsächlich eine so große Bedrohung, wie wir es die ganze Zeit vermutet hatten, wenn auch nicht ganz so unmittelbar. Dieser Teil deiner Mission war ein völliger und nachhaltiger Erfolg – und das weiß im Rat jeder, ob sie es öffentlich zugeben oder nicht.«
»Und wir haben langfristig zumindest noch zwei weitere Ziele erreicht«, meinte Corwin zu ihr. »Erstens, Priesly hat es vielleicht noch nicht erkannt, aber mit meinem Rausschmiss aus dem Direktorat hat er sich selbst in den Fuß geschossen.«
»Wie das?«, wollte Jin wissen. »Weil er dadurch als rücksichtsloser Politiker dasteht?«
»Mehr oder weniger. Unterschätze niemals die Macht einer Sympathiereaktion, Jin, besonders wenn ein Name im Spiel ist, der historisch so positiv bewertet wird wie der unsrige.« Corwin lächelte schief. »Ich bin bereits seit ein paar Tagen damit beschäftigt, eine Kampagne vorzubereiten und die zu erwartende öffentliche Reaktion genau in Prieslys Rachen zu leiten. Jetzt, wo all das andere Zeug ans Tageslicht gekommen ist, brauche ich mir diese Mühe wohl nicht zu machen.«
Jin schloss die Augen. »Na schön, die Jects verlieren an Einfluss, und dich kostet es bloß deine Karriere«, seufzte sie. »Standarddefinition eines Pyrrhussieges.«
»Oh, ich weiß nicht«, meinte Corwin und zuckte mit den Achseln. »Das hängt ganz davon ab, ob ich die Politik nicht sowieso längst leid war, oder?« Er ergriff sachte eine ihrer bandagierten Hände. »Die Zeiten ändern sich, Jin, und wir müssen uns mit ihnen ändern. Unsere Familie hat während der letzten Jahrzehnte über viel politische Macht verfügt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns weiterbewegen.«
»Weiterbewegen? Wohin?«
»Von der Politik in die Staatskunst«, sagte Corwin. »Denn jetzt haben wir etwas, das uns weder Priesly noch sonst irgendjemand in den Cobra-Welten nehmen kann.« Er hob einen Finger und richtete ihn auf sie. »Wir haben dich .«
Jin war verblüfft. »Mich?«
»Allerdings. Dich und den ersten wirklich friedlichen Kontakt zur Bevölkerung Qasamas.«
»Ja, klar«, schnaubte Jin. »Toller Kontakt. Die zwanzigjährige Nichte einer geschassten politischen Führungskraft und den neunzehnjährigen Erben eines kleinen Minenbetriebs in einer Siedlung.«
Ihr Vater gluckste eigentümlich, und Jin drehte den Kopf und sah ihn an. »Was ist daran so komisch?«, wollte sie wissen.
»Ach, nichts«, sagte Justin und unternahm einen eindeutig halbherzigen Versuch, sein amüsiertes Grinsen zu unterdrücken. »Es ist nur so, dass … na ja, niemand kann vorhersagen, wohin so etwas führen kann.«
Er holte tief Luft, und plötzlich schwand die Amüsiertheit aus seinem Lächeln und wurde durch ein Lächeln voller Stolz und Liebe ersetzt. »Nein, das kann man nie wissen, Jasmine Moreau, meine höchst brillante Tochter. Sag mal, hast du eigentlich je die Geschichte – die ganze Geschichte, meine ich – über den Weg deines Großvaters vom Cobra auf einem kleinen Außenposten zum Gouverneur und aventinischen Staatsmann gehört?«
Sie hatte, aber die Geschichte war es wert, sie noch einmal zu hören. Und so unterhielten sich die drei bis tief in die Nacht.
Titel der amerikanischen Originalausgabe
THE COBRA TRILOGY
Deutsche Übersetzung von Caspar Holz
Taschenbuchneuausgabe 10/2010
Redaktion: Werner Bauer
Copyright © 2004 by Timothy Zahn Copyright © 2010 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
eISBN: 978-3-641-05144-0
www.heyne-magische-bestseller.de
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