Cobra
zu der Frage, wie Metzger die Rückenzacken aus dem Höckerbraten eines Breaff herausbekamen. Jame, fünf Jahre jünger als Jonny, steuerte das Allerneueste über Teenagerintrigen an der Highschool bei – ein Labyrinth aus Standesdünkeln und unausgesprochenen Regeln, mit dem Jame vertrauter war als Jonny zu seiner Zeit. Pearce und Irena dirigierten den gesamten verbalen Zirkus mit dem Geschick langer Übung, beantworteten Gwens Fragen mit elterlicher Langmut und achteten im Übrigen darauf, dass es zu möglichst wenig Reibereien kam. Sei es aus stillschweigender Übereinkunft oder mangelndem Interesse – den Krieg erwähnte niemand.
Jonny wartete, bis der Tisch abgeräumt wurde, bevor er, um Beiläufigkeit bemüht, seine Bitte äußerte. »Dad, könnte ich mir vielleicht heute Abend deinen Wagen borgen, um nach Horizon City zu fahren?«
»Was, heute Abend findet doch nicht etwa schon wieder ein Spiel statt, oder?«, fragte sein Vater stirnrunzelnd.
»Nein«, sagte Jonny. »Ich wollte mir da ein paar Sachen ansehen, das ist alles.«
»Sachen?«
Jonny spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. Er wollte nicht lügen, wusste aber, dass alles andere als eine vollkommen wahrheitsgemäße Antwort automatisch ein großes Familienpalaver
zur Folge hätte, und auf eine Auseinandersetzung war er noch nicht vorbereitet. »Ja. Einfach … ein paar Dinge, die ich mir mal ansehen will.«
»Wie zum Beispiel das Rekrutierungsbüro des Militärkommandos?«, erkundigte sich Pearce ruhig.
Das Hintergrundgeklapper von Tellern, die herumgetragen und aufgestapelt wurden, brach unvermittelt ab, und in der Stille hörte Jonny, wie seine Mutter zischend Atem holte. »Jonny?«, fragte sie.
Er seufzte und wappnete sich für die Diskussion, die jetzt unausweichlich war. »Ich hätte mich nicht freiwillig gemeldet, ohne vorher mit euch allen zu reden«, beteuerte er. »Ich wollte mir bloß ein paar Informationen besorgen – über den Ablauf, die Anforderungen und so weiter.«
»Jonny, der Krieg ist sehr weit weg«, setzte Irena an.
»Ich weiß, Mum«, stimmte Jonny ihr zu. »Aber dort draußen sterben Menschen!«
»Umso mehr ein Grund, hierzubleiben.«
»Nicht nur Soldaten, auch Zivilisten«, insistierte er hartnäckig. »Ich denke einfach – na ja, Dad meinte heute, ich könnte nichts tun, um zu helfen.« Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Pearce. »Vielleicht wirklich nicht, aber vielleicht sollte ich mich von solchen Allgemeinplätzen nicht so schnell entmutigen lassen.«
Ein Lächeln zuckte kurz über Pearces Lippen, ohne sich auf den Rest seines Gesichts auszubreiten. »Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, als sich der Kern deiner Argumente noch mit ›weil ich es sage, basta‹ zusammenfassen ließ.«
»Muss am College liegen«, murmelte Jame von der Küchentür her. »Soweit ich weiß, bringen sie ihm zwischen den Diskussionsstunden auch bei, wie man Computer repariert.«
Jonny, den der offenkundige Ablenkungsversuch nervte, warf seinem Bruder einen verärgerten Blick zu. Irena jedoch hatte nicht vor, sich ablenken zu lassen. »Wo wir gerade dabei sind, was ist mit dem College?«, fragte sie. »Du hast noch ein Jahr vor
dir, bevor du deinen Abschluss machst. So lange willst du doch wenigstens bleiben, oder?«
Jonny schüttelte den Kopf. »Ich wüsste nicht, wie ich das schaffen soll. Ein ganzes Jahr – sieh dir doch an, was die Trofts in nur drei Monaten angerichtet haben.«
»Aber deine Ausbildung ist wichtiger al…«
»Na gut, Jonny«, schnitt Pearce seiner Frau ruhig das Wort ab. »Wenn du unbedingt willst, fahr nach Horizon City und sprich mit den Leuten vom Rekrutierungsbüro.«
»Pearce!« Irena sah ihn fassungslos an.
Pearce schüttelte ernst den Kopf. »Wir dürfen ihm nicht im Weg stehen«, erklärte er ihr. »Er hat sich doch schon so gut wie entschieden. Er ist jetzt erwachsen, also hat er das Recht auf seine eigenen Entscheidungen und muss die Verantwortung für sie übernehmen.« Pearce richtete seinen Blick auf Jonny. »Geh zu den Werbern, aber versprich mir, dass du noch einmal mit uns sprichst, bevor du deine endgültige Entscheidung triffst. Abgemacht?«
»Abgemacht.« Jonny nickte und spürte dabei, wie seine innere Anspannung nachließ. Sich freiwillig für einen Kriegseinsatz zu melden war eine Sache: Es machte einem Angst, aber auf eine distanzierte und fast abstrakte Weise. Den Kampf um die Unterstützung seiner Familie hatte er sich viel schwieriger vorgestellt, und der Sieg war
Weitere Kostenlose Bücher