Code Delta
ihrer Käfige zurück. Es handelte sich dabei um große Eidechsen und Raubvögel. Sie waren bedeckt von den Fäkalien der Tiere in den Käfigen ganz oben – verdreckt und bemitleidenswert. Trotz ihrer Größe schienen sie ebenso scheu zu sein wie ihre kleineren Artgenossen in freier Wildbahn.
Vielleicht waren es Wildtiere, bevor mit ihnen experimentiert wurde , dachte Queen. Dann inspizierte sie die oberste Reihe.
Von dort aus beobachteten sie stumm mehrere gigantische, kurzschwänzige graue Katzen. Sie waren größer als sibirische Tiger und hatten Ohren, an deren Spitze lange schwarze Haarbüschel sprossen. Ihre gelben Katzenaugen schienen niemals zu blinzeln. Das sandgraue Fell war mit länglichen dunklen Flecken bedeckt, an Kinn und Bauch aber weiß und blutbespritzt.
Sie wirkten wohlgenährt. In einem der Käfige bemerkte Queen die Überreste einer menschlichen Hand. Man hatte sie mit Menschenfleisch gefüttert.
Am auffälligsten waren die langen, sichelförmigen Zähne, die über den Unterkiefer hinausragten, und die fünf Zentimeter langen Klauen, die die Katzen reflexartig ein- und ausfuhren.
»Sind das Säbelzahntiger?«, fragte Queen.
»Luchse«, antwortete Bishop. »Sie sind in diesen Bergen beheimatet.«
»Wenn das Luchse sind«, sagte Knight, »dann hat sie jemand genetisch ganz schön umgemodelt.«
»Richard Ridleys Markenzeichen«, meinte Queen, bevor sie weiter durch den breiten Gang zwischen den Käfigen schritt, ohne die Katzen aus den Augen zu lassen, die ihr ihrerseits unverwandt nachstarrten. »Verlassen wir diese abartige Menagerie, und suchen wir nach Fiona.«
Der u-förmige Raum mündete in einen Gang. Sie schlüpften schnell hinaus und waren froh, die riesigen Raubtiere hinter sich zu lassen. Von hier aus hörten sie wieder Ridleys sonore Stimme. Sie schlichen weiter, und eine zweite Stimme ertönte, die sie sehr gut kannten.
King.
Queen bedeutete Knight und Bishop zurückzubleiben und schob sich zum Tunnelausgang. Sie lugte in die runde Hauptkammer und erkannte fünf Personen darin. Zwei Männer, die Richard Ridley zu sein schienen oder seine Golem-Klone, und einen Mann im Kapuzenumhang, der ihr den Rücken zuwandte. King und Alexander befanden sich genau gegenüber, ein, zwei Meter über dem Boden in der Umklammerung zweier gigantischer, lebender Statuen. Queen zählte sieben weitere Statuen, die einen Ring um die Kammer bildeten, bevor sie umkehrte.
Auf dem Rückweg bemerkte sie einen dunklen Schlitz in der Wand. Irgendetwas daran kam ihr seltsam vor, und sie blieb stehen. Sie bückte sich und versuchte, in die Dunkelheit zu spähen. Zwei Hände schossen heraus und fuhren auf ihr Gesicht zu. Sie sprang zurück und hob die Waffe.
Doch die Hände wollten ihr nichts Böses. Sie streckten sich ihr flehend entgegen. Verzweifelt. Und sie gehörten einem dreizehnjährigen Mädchen. Fiona!
Queen trat rasch vor und drückte ihr beruhigend die Hand. Kein Wort wurde gesprochen, denn beide wussten, dass sie sich damit verraten konnten. Nach einer langen Sekunde trat Queen zurück. Sie holte eine Wasserflasche und eine Insulinspritze heraus und schob sie durch den Spalt. Fiona wusste schon, was sie damit tun musste. Queen hob den Zeigefinger und formte mit den Lippen die Worte »Bin gleich zurück«.
Fiona richtete den Daumen nach oben und zog sich mit dem Wasser und der Spritze in ihre Zelle zurück.
Bishop und Knight hatten Queen beobachtet, waren aber auf ihrem Posten geblieben. »Wir müssen da rein«, flüsterte sie ihnen zu.
»Wie soll das gehen, ohne sie auf uns aufmerksam zu machen?«, fragte Knight.
»Ich sorge für eine Ablenkung«, meinte Queen und machte sich auf den Rückweg in die Menagerie.
»Wann sollen wir sprengen?«, wollte Knight wissen.
Queen sah über die Schulter zurück. »Wenn der Krach losgeht.«
80
King fand keine Worte. Er empfand eine Mischung aus Abscheu und Mitleid: Abscheu über das Wesen, zu dem Ridley geworden war – eher ein Teufel als ein Gott –, und Mitleid wegen der kränklich aussehenden Version seiner selbst, die sich an ihn klammerte wie ein Kind, das sich nicht entwöhnen lassen will.
»Wie sind Sie aus Stonehenge entkommen?«, fragte einer der zwei Golem-Ridleys.
Das ist Mahalalel, dachte King, antwortete aber nicht. Seine Augen blieben unverwandt auf Adam gerichtet wie die eines Raubvogels.
Ein Anflug von Angst trat in Adams Augen. Der echte Richard Ridley hatte schon einen Zusammenstoß mit King überlebt und trat ihm jetzt mit
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