Code Delta
überall auf der Welt auftauchten, mussten Deep Blue und das Schachteam ungehindert und ohne öffentliches Aufsehen agieren können. Und dahin führte nur ein Weg. Er bedeutete für Duncan das größte Opfer seines Lebens, doch wenn er die Menschen, die ihn ins Amt gewählt hatten, wirklich schützen wollte, konnte er nicht anders handeln.
Bishop nahm die Fernbedienung vom Bett und schaltete den Fernseher in der Ecke laut. Die Stimme des Reporters auf dem Bildschirm klang erregt. »Es kann nur noch Sekunden dauern, bis Präsident Duncan zu seiner kurzfristig angekündigten Rede an die Nation vor die Kameras tritt. Es ist viel über den Inhalt spekuliert worden. Seit den Enthüllungen durch Senator Marrs’, nach denen der Präsident über die bevorstehenden Anschläge auf die Siletz Reservation und Fort Bragg nicht nur im Voraus informiert war, sondern sich sogar weigerte, angemessene Gegenmaßnahmen zu ergreifen, herrschte Schweigen hinter den Wänden des Weißen Hauses. Während die Ermittlungen, unterstützt durch die uneingeschränkte Aussagebereitschaft von CIA -Direktor Domenick Boucher, rasch voranschreiten, bleiben dem Präsidenten immer weniger Optionen. Viele glauben, dass er den Anschuldigungen entgegentreten wird, doch Boucher persönlich hat den Präsidenten zum Rücktritt aufgefordert.«
»So ein Bockmist«, sagte Queen.
»Er tut genau das Richtige«, meinte Knight.
»Es ging nicht anders«, ergänzte Bishop. »Das weiß er.«
Queen verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber es muss mir ja nicht gefallen.«
Der Reporter legte die Hand aufs Ohr. »Wie ich höre, tritt der Präsident soeben ans Rednerpult. Wir schalten jetzt live ins Weiße Haus.«
Die nächste Einstellung zeigte Duncan, der mit sehr ernster, aber gefasster Miene ans Mikrofon trat. Er hielt sich aufrecht. Dies war keine Niederlage für ihn, es war ein Übergang. Zu etwas Neuem. Vielleicht etwas Besserem. Er ließ den Blick kurz über die versammelten Journalisten schweifen, dann hob er mit klarer Stimme an: »Als Präsident der Vereinigten Staaten habe ich geschworen, diese Nation vor ihren Feinden zu schützen. In diesem Bestreben habe ich versagt. Ich habe unverzeihliche Fehler begangen.« Er machte eine Pause, bevor er direkt in die Kamera blickte. »Es heißt, der Präsident dieses Landes sei der Führer der freien Welt. Aber das stimmt nicht. Sie, die Menschen dieses Landes, sind die Führer der freien Welt. Und Sie brauchen jemanden, der Sie besser repräsentiert … besser, als ich es getan habe.«
Wieder schwieg er kurz. »Heute Morgen um neun Uhr bin ich als Präsident der Vereinigten Staaten zurückgetreten …« Ein überraschtes Raunen steigerte sich zum Tumult, als das Pressekorps durcheinanderzuschreien begann. Duncan erhob die Stimme über das Getöse. »Vizepräsident Chambers hat mich in meinem Amt abgelöst und wird all Ihre Fragen beantworten.«
Mit diesen Worten trat Duncan zurück. Der weißhaarige ehemalige Vizepräsident schüttelte ihm die Hand und stieg auf das Podium.
Bishop schaltete das Fernsehgerät aus.
In der folgenden Stille wurden er, Queen und Knight sich plötzlich bewusst, dass jemand das Zimmer betreten hatte. Sie wandten die Köpfe und sahen, wie George Pierce sich über Kings bewusstlose Gestalt beugte – mit einer leeren Spritze in der Hand.
Queen sprang auf. »Was zum Teufel tun Sie da?«
Pierce hob abwehrend die Hände. »Ich versuche nur, ihm zu helfen.«
Queen riss ihm die Spritze aus der Hand. »Was war das?«
»Sie würden es nicht verstehen.«
»Versuchen Sie’s doch mal!«
»Äh … es waren Apfelkerne. Zerquetscht. Verflüssigt.«
Sie schleuderte die Spritze in einen Papierkorb, wo sie zersprang. »Sie haben King Apfelkerne injiziert?«
»Aus dem Garten der Hesperiden. Aber ich bin nicht einmal sicher, ob es sich wirklich um Apfelkerne handelt.«
Der Name kam Queen entfernt bekannt vor, aber sie starrte Pierce weiter an, als könnten Blicke töten. Ihr war schon klar, dass der Mann King niemals absichtlich schaden würde. Sie waren wie Brüder. Aber in der Verzweiflung begehen auch Brüder manchmal tödliche Fehler.
»Sie stammen von Alexander.«
Queen explodierte. »Von Alexander!«
Pierce wich einen Schritt zurück. Er fand Queen furchterregender als all die Golems. »Ich habe sie gestohlen. In Rom. Aus Alexanders Museum.«
Queen wusste Bescheid über die Ereignisse unter den Ruinen des Forum Romanum. Sie atmete tief durch und beruhigte sich ein wenig. »Haben
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