Code Freebird (German Edition)
und jemand will uns hinters Licht führen, sprich, uns glauben machen, es handle sich um einen radikalen Islamisten.»
«Bombenaufbau und Machart sind Ihrer Erfahrung nach aber radikal-islamistisch?», wollte Michaelis wissen.
«Ich kann nur vergleichen. Und alles Bisherige, also der Anschlag im Hanseviertel, dieser hier im Kino und das, was mir die Kollegen aus Frankfurt mitgeteilt haben, deutet auf den gleichen Mann hin, der offensichtlich sein Geschäft in Palästina, Afghanistan, Irak oder Pakistan erlernt hat …»
Pawlow stockte. Etwas störte seine Theorie. Es lag in der Zündverzögerung, in der Art, wie die Bomben gezündet wurden. «Die Sprengladungen im Hanseviertel und in Frankfurt sind ferngezündet worden, nach allem, was wir bis jetzt wissen, über ein Handy. Die Kinosache jedoch war etwas gewitzter. Hier hat er die Zündung der Bombe aus der Hand gegeben, also dem ahnungslosen Opfer überlassen. Das birgt ein gewisses Risiko in sich. Das Opfer hätte bemerken können, dass etwas an dem Gefäß, das es in der Hand hielt, nicht stimmte. Das höhere Gewicht, der Geruch des Diesels.
Und noch etwas. Man hätte erwarten können, dass der Zündmechanismus über Zug ausgeführt wird, also das Plättchen wäre mit einem Faden am Popcorn befestigt gewesen. In diesem Fall ist der Vorgang natürlich umgekehrt, das heißt, das Plättchen wäre nichtleitend und diente als Pfropfen. Wenn das Opfer das Popcorn aus dem Gefäß nimmt, reißt es daran, der Kreis schließt sich – und bumm.
Das Opfer hätte diesen Widerstand spüren und in der Bewegung innehalten können. Diese Gefahr hat der Täter mit dem kleinen Magneten umgangen. Nicht dumm. Das traue ich einem Mustafa eigentlich nicht zu.»
«Dass es sich in allen drei Fällen aber um den gleichen Täter handelt, ist für Sie zweifelsfrei?», hakte Michaelis nach.
«Was den verwendeten Sprengstoff und die notwendigen Bestandteile angeht, ja. Hier hat unser Mann oder unsere Frau eine Visitenkarte hinterlassen. Bei allen drei Anschlägen ist das gleiche Klebeband verwendet worden. Es handelt sich um eine Marke, die meiner Kenntnis nach nicht in Deutschland vertrieben wird. Woher es stammt, kann ich allerdings noch nicht beantworten.
Wir sollten aber Folgendes unterscheiden: Bombenbauer und Bombenleger müssen nicht identisch sein. Es könnte sich um Arbeitsteilung handeln, einer baut die Bombe, der andere platziert sie. Entscheidend ist die Intention, die dahintersteckt.
Wie Sie gesehen haben, richteten sich die ersten beiden Anschläge gegen eine Vielzahl von Menschen, wenngleich jeweils nur ein Einzelner getötet wurde. Zufall? Beim dritten Fall ist davon auszugehen, dass nur dieser eine Mensch getötet werden sollte, was unserem Täter auch gelang. Je länger ich darüber nachdenke, desto interessanter wird seine exakte Vorgehensweise und die präzise Planung.»
«Sie meinen», griff Levy den Gedanken auf, «die Anschläge Nummer eins und zwei könnten auch nur auf eine Person gerichtet gewesen sein, allerdings mit bedeutend mehr Tamtam?»
«Durchaus. Aber diese Frage zu beantworten, fällt in Ihren Fachbereich. Was ist die Psychologie der Bombe, was die des Bombenbauers und Bombenlegers? Wieso kommt bei den Anschlägen im Hanseviertel und in Frankfurt jeweils nur eine Person ums Leben? Zufall? Glück? Ich weiß nicht.
Wieso entwickelt er eine chirurgisch genaue Waffe im Kino? Für mich sind diese Überlegungen nicht von der Hand zu weisen.»
Michaelis wollte den kühnen Gedanken nicht so recht folgen. «Moment. Das würde bedeuten, dass die Opfer nicht zufällig, sondern gezielt ausgesucht waren. Okay, bei der Kinosache kann ich Ihnen folgen, doch bei den anderen …?»
«Es ist eine Hypothese», widersprach Levy. «Um sie zu verifizieren oder zu verwerfen, müssten wir die Hintergründe der Opfer näher beleuchten, soweit noch nicht geschehen. Was machte sie zu einem möglichen Ziel?»
Bevor Michaelis antworten konnte, klingelte das Telefon. Pawlow nahm das Gespräch entgegen, reichte den Hörer aber gleich weiter.
«Michaelis …»
Das Gespräch war kurz, ihre Mitteilung an Levy und Pawlow auch. «Wir haben das Kinoopfer identifiziert.»
8
«Unser Kinomann heißt Kevin Raab.»
Luansi verkündete nicht ohne Stolz die überraschend schnelle Identifizierung des dritten Opfers. Der Applaus des Teams blieb jedoch aus. Stattdessen spiegelte sich eine abwartende Haltung in den Gesichtern.
«Wie hat Dragan das so schnell geschafft?», fragte
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