Regina schafft es doch
Ein Glückstag für Regina
Als Regina an diesem glühend heißen Junitag das bunte Sommerkleid über den Kopf zog, um in die Stadt zu gehen, war sie von zwei Wünschen beseelt.
„Wenn doch immer Sommer wäre“, seufzte sie.
Dieser Wunsch hatte seinen guten Grund. Wenn es Sommer war, konnte man ein hübsches, billiges Sommerkleid tragen, man konnte ohne Strümpfe gehen – jedenfalls wenn man erst zweiundzwanzig Jahre alt war und schöne, braungebrannte Beine hatte – , man konnte die Füße in ein paar lustige, billige Sommersandalen stecken, man konnte ohne Hut gehen, konnte Krem und Puder sparen, wenn das Gesicht frisch und von der Sonne gebräunt war. Kurzum: Man konnte mit wenig Geld schick und hübsch aussehen. Und für Regina war es eine zwingende Notwendigkeit, sich mit wenig Geld durchzuschlagen.
Dies war der eine Wunsch.
Der zweite war der Wirklichkeit näher, und er war auch dringender. Es war ein Wunsch, der ihr Herz rasch und hart schlagen ließ, während sie durch die sonnenheißen Straßen zur Stadt lief. Straßenbahn? Kam nicht in Frage. Das fehlte noch! Nein, bei diesem schönen, warmen Sommerwetter konnte sie das Geld wahrhaftig sparen.
Als sie um die Ecke der Prinzenstraße bog, klopfte ihr das Herz so sehr, daß sie meinte, sie könne es selber hören.
Vor Mortensens Kunst- und Antiquitätenhandlung blieb sie stehen. Sie schluckte, biß sich auf die Lippe, legte die Hand auf die Türklinke – und stockte. Durch die Glasscheibe in der Tür konnte sie den ganzen Laden überblicken. Dort drinnen stand Herr Mortensen gerade im Gespräch mit einem Kunden.
Regina schnappte nach Luft. Ihre Augen waren auf einen bestimmten Punkt gerichtet. Nicht auf die aufrechte Gestalt des Kunden, nicht auf sein freundliches, interessiertes Gesicht, sondern auf seine Hände.
Diese Hände hielten eine kleine Terrakottafigur. Jetzt drehten sie die Figur herum, hoben sie in Augenhöhe und jetzt – liebe Zeit, was sollte das wohl nun bedeuten? – , jetzt stellten sie die Figur auf den Ladentisch zurück. Ach, was taten die Hände sonst noch – griffen sie nach etwas anderem? – , nein, die eine Hand verschwand in der Innentasche des Rockes, dort, wo die Brieftasche steckte.
Da atmete Regina auf, tief und befreit. Und nun mußte sie plötzlich einen Kloß in ihrem Hals herunterschlucken. Die Spannung war zu groß gewesen.
Es war besser, sie wartete ein wenig, ehe sie zu Mortensen hineinging. Sie konnte sich drüben an die Ecke stellen und aufpassen, wenn der Kunde ging. Sie ließ die Türklinke los, aber im selben Augenblick hatte Mortensen sie entdeckt und nickte ihr zu. So mußte sie hinein.
Die altmodische Ladenglocke klimperte leise, als sie die Türöffnete, und der Kunde wandte flüchtig den Kopf. Dann drehte er sich ganz zu ihr herum.
Der Kunde sah eine schlanke, kleine Mädchengestalt mit einem ovalen Gesicht von zart goldbrauner Tönung. Die Nase war fein gebogen, der Mund voll und rot. Das dunkle Haar und der Typ verrieten romanischen oder vielleicht slawischen Einschlag in der Familie, irgendwann vor langen Zeiten.
Was ihn aber am meisten fesselte, das waren ihre Augen. Ein Paar große, ganz seltsam große, blaugrüne Augen unter dichten, schwarzen Brauen.
Der Kunde konnte nur schwer den Blick von ihr wenden. Er war ein älterer Mann, hatte Erfahrungen und Menschenkenntnis. Und er spürte ganz spontan den Wunsch, etwas über das junge Geschöpf zu erfahren, das vor ihm stand – das Mädchen mit dem merkwürdigen, abgrundtiefen Blick.
Ihre Augen waren auf einen Mann von etwa sechzig Jahren gerichtet. Einen aufrechten, gut aussehenden Mann mit der freundlichen Sicherheit im Wesen, wie Erfahrungen und gute wirtschaftliche Verhältnisse sie einem Mann verleihen.
Da klang Mortensens Stimme: „Das ist ein drolliger Zufall. Darf ich vorstellen: Direktor Eimer – der Herr Direktor ist Ihr bester Kunde, Fräulein Frank – , ja, Herr Eimer, dies ist also die Bildhauerin Regina Frank.“
Herr Eimer hielt einen Augenblick Reginas Hand fest. Er war so groß und breit, daß das Mädchen vor dieser männlichen Kraft noch kleiner und zarter wirkte.
„Es ist wirklich nett, Sie einmal kennenzulernen, Fräulein Frank. Übrigens, lieber Mortensen, diesen Direktortitel, mit dem Sie mich so liebenswürdig ausstaffieren, den müssen Sie auf Ihre eigene Kappe nehmen. Ich bin nichts als ein rechtschaffener Handwerker und sorge für das tägliche Brot…“
„Ach!“ sagte Regina. Ihr ging ein
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