Code Freebird
nicht aufgefallen ist.«
Michaelis dachte darüber nach. »Es hat sich jetzt schon gelohnt, dich in den Fall einzubinden. Danke.«
Er antwortete mit einem Lächeln. »Schön, wenn ich deinen Ansprüchen genüge.«
Ihre gute Laune kehrte prompt zurück, für einen Augenblick zumindest. »Das werden wir noch sehen.«
Levy wollte sich schnell aus der sich erneut anbahnenden Nähe befreien. »Welcher Film ist eigentlich gelaufen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
Aus dem Halbdunkel bei der Eingangstür kam die Antwort: »Der Blade Runner. Mit Harrison Ford und Rutger Hauer in den Hauptrollen.«
Michaelis reagierte sofort. »Kommen Sie näher. Wer sind Sie?«
Eine Frau kam auf sie zu, halblange, dunkle Haare, einen Schal um die Schultern, ein schlichtes Kleid bis zu den Fußknöcheln, Sandalen.
Als sie vor Levy und Michaelis stehenblieb, erkannte er eine etwa dreißigjährige Frau mutmaßlich arabischer Herkunft, darauf ließen zumindest ihr Teint und die so typischen mandelförmigen, braunen Augen schließen.
Sie reichte Levy zuerst die Hand: »Aaliyah Roshan, Reporterin von Masdar Mawthouk, einem Nachrichtensender aus Dubai. Vielleicht haben Sie schon von uns gehört.«
»In der Art von Al-Dschasira?«, fragte Michaelis.
»Eher wie Spiegel-TV in Deutschland. Wir produzieren Hintergrundberichte und politische Analysen für den arabischen Raum.«
»Darf ich Ihren Presseausweis sehen?«, hakte Michaelis nach.
»Sicher, hier bitte. Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»Kriminalhauptkommissarin Michaelis. Was tun Sie hier? Das Kino ist geschlossen. Haben Sie das Siegel an der Tür nicht gesehen?«
»Siegel?«, fragte sie erstaunt. »Nein, tut mir leid. Muss ich wohl übersehen haben.«
»Sie befinden sich an einem Tatort. Er ist noch nicht freigegeben. Auch für die Presse nicht. Gehen Sie jetzt, bitte.«
So schnell ließ sie sich nicht abwimmeln. »Sie ermitteln im Zuge der Sprengstoffanschläge, nicht wahr?«
»Richten Sie eine offizielle Anfrage an die Pressestelle. Nun, bitte«, befahl Michaelis und verwies sie zum Ausgang.
Aaliyah nahm ihren Ausweis an sich, nicht ohne eine weitere Frage zu stellen. »Er hat wieder TATP verwendet, nicht wahr? Ein Mann, eine Bombe, eine Idee.«
»Wie kommen Sie darauf, dass es ein Mann ist?«, fragte Levy. »Und welche Idee könnte er verfolgen?«
»Das ist allerdings die entscheidende Frage. Schönen Tag noch.«
Sie kehrte ihnen den Rücken zu und ging zum Ausgang.
»Ach, noch etwas«, sagte sie. »Wie lautet Rutger Hauers berühmter Satz nochmal?«
Levy und Michaelis schauten sich an.
Keine Ahnung.
6
Der Mann hieß Dennis Massall, ein ehemaliger DDR-Grenzsoldat. Er war in der Nachwendezeit vom Vorwurf der gezielten Tötung zweier Republikflüchtlinge freigesprochen worden. Der Befehlsnotstand, auf den er sich in seiner Verteidigung berufen hatte, konnte nicht widerlegt werden. Gleich nach dem Urteil verließ er Deutschland. Seine Spuren verloren sich in den neunziger Jahren auf blutigen Kriegsschauplätzen.
Im Sommer 2004 tauchte er an der Seite eines amerikanischen Geschäftsmannes wieder auf, der zu Beratungsgesprächen in Bagdad weilte. Die Aufnahme zeigte Massall, in der einen Hand eine kurzläufige Schnellfeuerwaffe, mit der anderen den Weg für seine Schutzperson an Fotografen und Journalisten vorbeibahnend.
Auf seiner schusssicheren Weste prangte ein Emblem, das auf den ersten Blick nicht zu entschlüsseln war. Doch Insider wussten, welches Unternehmen sich dahinter verbarg. CW – Clearwater war ein amerikanisches Unternehmen der Sicherheitsbranche und hatte sich in den letzten Jahren prächtig entwickelt.
Nun hatte es den Sprung nach Europa gewagt. Sicherheit war ein hohes Gut und die Voraussetzung, dass Politiker und Geschäftsleute auch im Ausland arbeiten konnten, ohne permanent um ihr Leben fürchten zu müssen. Die europäische Unit von Clearwater hatte sich strategisch günstig in Mannheim aufgestellt. Von dort aus waren Frankfurt, Ramstein und Stuttgart schnell zu erreichen. Die Nähe zu den Auftraggebern war entscheidend für den Erfolg.
Muhammed kannte Dennis Massall nicht persönlich. Vier Angestellte von Clearwater waren im Irak von der aufgebrachten Menge durch die Straßen geschleift, verstümmelt und verbrannt worden. Einer der verkohlten Leiber hing zur Abschreckung von einer Brücke. Massall hatte sich zu diesem Zeitpunkt zwar in der Stadt, aber an einem anderen Ort aufgehalten und war deshalb einem solchen
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