Code Freebird
musste Elvis aushelfen.
Die Truppe war gut drauf. Die letzte Nacht hatten sie den Sieg gefeiert. Viel getrunken, viel gesungen, viel getanzt. Dennoch war niemand müde, obwohl es jeder nach drei Wochen Überlebenskampf hätte sein müssen.
Cromley, der am Steuer saß, sah sie als Erster. Sie kam gerade aus dem Haus, vor dem ein weißer Mercedes stand. Zwei Männer nahmen die Braut in Empfang und ließen sie im Fond Platz nehmen.
Obwohl es ihnen streng untersagt war, hielt Cromley auf Höhe der Braut an. Boyle wollte ihr alles Gute im neuen Leben wünschen. Wider Erwarten schlug ihm keine Feindseligkeit entgegen, sondern Dank, dass ihre selbsternannten Befreier ihnen Glück wünschten.
Der ältere Mann, offensichtlich der Brautvater, schien Boyle einzuladen. Doch der lehnte dankend ab und ging zurück zum Humvee. Er sah sie noch davonfahren.
Siebzehn Jahre, sagte er kopfschüttelnd, soll die Braut alt gewesen sein. Siebzehn Jahre, und schon begann der Ernst des Lebens für sie. Boyle, der Familienmensch und sechsfache Vater, wusste, wovon er sprach. Erst seitdem er vor vier Jahren in die Army eingetreten war, hatte seine Familie ein sicheres Auskommen. In seinem alten Beruf als Schweißer hatte er keine Zukunft mehr gesehen.
Cromley fuhr weiter. Ein ziviler Jeep amerikanischer Bauart kam ihnen entgegen. Er fiel ihnen auf, weil er ein bekanntes Emblem auf der Motorhaube trug. Sie hatten diese Forelle schon mehrfach gesehen und wenig Rühmliches über ihre Mitarbeiter gehört. Boyle wünschte sie zum Teufel. Doch das interessierte den Rest der Truppe nicht. Solange jeder auf seiner Seite blieb, sahen sie kein Problem.
Cromley drehte die Musik wieder lauter, und alle stimmten in den nächsten Song mit ein. Doch keine Musik kann laut genug sein, um das Stakkato einer AK-47 zu übertönen, die nicht weit entfernt Salven abfeuerte. Woher kamen sie? Cromley ging vom Gas, Boyle wandte den Kopf nach allen Seiten, und der Rest der Truppe entsicherte die Waffen.
Der Blade Runner, der oben am Dachbügel das MG entsicherte, sah sie zuerst.
Mit dem Fernglas vor Augen schrie er herunter: »Sechs Uhr. In fünfhundert Entfernung.«
Cromley wendete den Wagen und drückte aufs Gas. Noch immer hörten sie die AK-47 feuern. Unterstützt wurde sie durch die Drei-Schuss-Automatik einer M-16. Ta-ta-ta. Abgehackt, kurz hintereinander, sich wiederholend.
Das Funkgerät knackte. Kameraden waren in ein Feuergefecht verwickelt worden. Auf derselben Straße, auf der sie sich befanden. Sie riefen um Unterstützung.
Cromley ging erst vom Gas, als zwei Projektile in die Haube einschlugen. Es klang wie kleine Steine, die von Metall verschluckt wurden.
Er lenkte den Humvee hinter eine Häuserecke.
»Diese verdammten Idioten!«, brüllte Boyle.
Doch anstatt das Feuer zu erwidern, wartete er ab – was die anderen ganz und gar nicht verstanden. Sie wollten unbedingt beweisen, wer die Macht auf der Straße hatte.
Es dauerte noch zwei Magazine lang, bis sich die Aufregung gelegt hatte. Boyle marschierte mit seinem Trupp zum Tatort.
Auf amerikanischer Seite war ein Soldat angeschossen worden. Die Windschutzscheibe ihres Humvee war durchlöchert. Sein Kamerad war mit dem Schrecken davongekommen. Rund zweihundert Meter weiter stand der Jeep mit dem Forellen-Emblem. Hinter den gepanzerten Türen hatten sich zwei Hünen aufgebaut. Sonnenbrille und Piratenkopftuch schützten sie gegen Hitze und neugierige Blicke. Aus dem Lauf einer AK-47 verflüchtigte sich noch der Rauch. Die Hintertür öffnete sich. Heraus stieg ein Mann im dunkelblauen Anzug mit gelber Krawatte. Er schien die Schießerei unbeschadet überstanden zu haben.
In der Mitte der beiden amerikanischen Fahrzeuge stand noch ein weißer Mercedes. Die Beifahrertür stand offen. Ein alter Mann hing mit dem Kopf vornüber halb heraus. Der junge Fahrer stand mit erhobenen Händen auf der anderen Seite.
Als Boyle auf die Rückbank des Mercedes blickte, erfasste ihn das Entsetzen, dann der kalte Zorn.
Wäre nicht in diesem Moment eine Streife der MP aufgetaucht und hätte nicht ein erfahrener Polizeioffizier Boyle zurückgehalten, so hätte es an diesem heiligen Sonntagmorgen einen weiteren Toten gegeben.
Später sollte im Bericht des Polizeioffiziers Major Nimrod der Vorfall als eine eklatante Verletzung der Gewalthoheit amerikanischer Militärbehörden beschrieben werden.
Zivile Sicherheitsdienstleister hätten zu keinem Zeitpunkt das Recht, das Feuer auf Zivilisten zu eröffnen, auch
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