Code Freebird
standhalten, der sich in seinem Inneren angestaut hat. Dieser Vorgang ist durchaus bildlich zu verstehen, einer Bombe gleich, und somit ist die Wahl der Waffen auch schon getroffen. Sozusagen das Gegenteil von stillen und gegen Einzelpersonen gerichteten Techniken.
Der Bomber jedoch will viele treffen, und er will auch, dass es alle mitbekommen. Für jemanden, der unter Erniedrigung leidet, erfüllt die Bombe zweierlei: Ich bin, technisch gesehen, auf Augenhöhe, und indem ich die Bombe einsetze, erhebe ich mich sogar noch über den anderen.
Die Macht über Explosionen ist tief in unserem Selbstverständnis verankert, allerdings ohne dass wir sie in unserer westlichen Welt noch wahrnehmen, da wir uns daran gewöhnt haben.«
»Sie meinen, so wie bei Verbrennungsmotoren in unseren Autos?«
»Ja, genau. Indem Sie den Zündschlüssel umdrehen, beweisen sie einem Schafhirten, der allein auf die Kraft seiner Beine angewiesen ist, wie weit sie ihm überlegen sind – Herr über eine Explosion zu sein und seinen Aktionsradius um ein Vielfaches zu übertreffen.
Neue Autos, neue Waffen, alle neuen Technologien, die einen Vorsprung verschaffen, ziehen weltweit Menschen in ihren Bann. Es ist ein durch und durch menschliches Bedürfnis, das damit befriedigt wird.«
Levy konnte dem zustimmen. Allerdings wiesen die Ausführungen Vogelsangs wieder in Richtung eines arabischen Täters. Aber gab es da nicht auch die westlichen Bombenleger, die die Anschläge von Oklahoma City verübt hatten, oder den berühmten Fall des Una-Bombers, eines amerikanischen Professors, der die Nation jahrelang mit seinen Anschlägen in Atem hielt? Letzterer war vielen seiner Landsleute intellektuell weit überlegen. Der brauchte sich nicht mehr zu beweisen. Wie passte Vogelsangs Theorie auf Täter dieser Art?
»Es scheint«, so stellte Vogelsang amüsiert fest, »dass ich Ihnen mehr Fragen als Antworten liefern kann.«
Levy verneinte. »Überhaupt nicht, nein. Es ist sehr interessant, was Sie über das psychologische Gerüst eines Bombers gesagt haben. Ich frage mich nur, inwieweit ich einen anderen Hintergrund als den soeben beschriebenen in meinen Überlegungen berücksichtigen muss.«
»Sie meinen, ob westliche, also nicht arabische oder islamistische, Terroristen für die Anschläge verantwortlich sein können?«
»Ja.«
»Das sollten Sie auf jeden Fall tun. Ich habe Ihnen von den Erfahrungen berichtet, die wir jahrelang in Israel gemacht haben. Es ist traurig zu sagen, dass wir wahrscheinlich weltweit das Land sind, das am längsten und am bittersten unter Bombenanschlägen leidet. Das heißt allerdings nicht, dass Ihr Mann oder die Tätergruppe aus dem nahöstlichen Umfeld stammen muss.
Ich verfolge die Berichterstattung in dieser Sache seit Anfang an, und ich mag nicht so recht an die radikal-islamistische Theorie glauben.«
»Wieso nicht?«
»Es fehlen die typischen Merkmale derartiger Anschläge – am wichtigsten das Bekennerschreiben und natürlich ein Täteropfer.
Die Frage, die Sie sich stellen müssen, ist, was will dieser Jemand oder diese Gruppe erreichen, wenn er oder sie keine Forderungen stellt? Was ist die Motivation, was sein Ziel?
Außerdem: Mit welcher Art Bomber haben wir es hier zu tun? Er opfert sich auf jeden Fall nicht selbst. Zumindest noch nicht.
Keine Forderung, kein Selbsttötung. Das spricht nicht gerade für einen Täter aus meinem Erfahrungsbereich.«
Levy stimmte ihm zu. »Das sage ich mir auch. Ich bin froh, dass Sie diese Sichtweise teilen. Mein Problem ist, ich kann sie nicht belegen, geschweige denn beweisen. Alle bisherigen Ermittlungsergebnisse verweisen auf eine arabische Täterschaft. Der Sprengstoff, die Ziele …«
»Auch die Berichterstattung in den Medien?«
»Ob die Medien einen arabischen Täter favorisieren?«
»Nein, das meine ich nicht. Wird die Berichterstattung den Anschlägen gerecht?«
»Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen.«
»Bomben und Medien bedingen sich gegenseitig. Ohne eine Berichterstattung verpufft die erwartete Außenwirkung einer Bombe im Nichts – so, als führten Sie eine Sprengung in der Wüste durch. Wenn sie keiner sieht, hat es sie nie gegeben.
Das Medium wiederum braucht die große Schlagzeile, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen und um die Aufmerksamkeit seiner Nutzer zu gewinnen. Ein Bombenkrater, brennende Häuser, Blutspritzer geben da einiges her.
Nehmen Sie die Bilder aus dem Vietnamkrieg: Die schrecklichen Napalmbomben auf strohgedeckte
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