Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth
Anschein nach wird der Westen auf Jahre hinaus seiner Vögel entledigt sein. Jürgen ruft ihnen ein herzliches »Hallo« zu und schwenkt dabei mehrere Generationen der einst so zahlreichen Sumpfhühner, die an den Füßen zu Bündeln zusammengebunden sind.
Holly ist schlank. Sie sieht todschick aus in ihrer makellosen Wildlederreithose und der weißen Bluse. Sie trägt eine silberbeschlagene Jagdbüchse in der Armbeuge, und zwei von Kingmans Jagdhunden gehen bei Fuß. Vielleicht hat sie ihre Beute Jürgen übergeben, vielleicht hat sie sie auch einfach an Ort und Stelle liegenlassen, um ihre Jagdkleidung nicht zu beschmutzen.
Denn Jürgens Jacke ist mit Blut und Federn bedeckt – im Einklang mit seinem fanatischen Grinsen wirkt er so wie der grausame Jäger, der er im Grunde auch ist. Auch wenn sein Revier normalerweise nicht der Wald ist. Er ruft Kingman etwas in einem überzogenen, britischen Upperclass-Tonfall mit deutschem Akzent zu: »Einen phantastischen Platz haben Sie hier, Lord Kingman. Sehr nobel von Ihnen, uns einzuladen.«
Kingman wirft seinem Begleiter einen gequälten Blick zu. »Nicht der Rede wert«, murmelt er, was für Bill bedeutet, ginge es nach ihm, hätte er mit Jürgen und seinesgleichen nichts zu schaffen. Aber Kingman ist längst nicht mehr Herr seines Schicksals. »Bringen wir das hier dem Koch, einverstanden?«
»Ich gehe schon nach oben«, sagt Holly. »Bis heute abend.« Sie winkt mit zwei Fingern und steigt die geschwungene Steintreppe zur hinteren Veranda hinauf. Jürgen folgt ihr; er kann die Augen nicht von ihren wiegenden Hüften lassen.
Kingman überläßt die Jagdhunde einem Bediensteten und betritt das Haus durch den Kücheneingang. Sie überreichen Mrs. McGrath ihre Opfer, die sie ohne große Begeisterung entgegennimmt – jetzt muß sie all den Schrot herausschneiden –, dann trennen sie sich.
Bill geht über die breite Treppe auf sein Zimmer. Er sieht auf seine Uhr. Die Besprechung ist für sechs Uhr angesetzt – heute abend geht es nur um Sondierungsgespräche, die harten Entscheidungen hat man sich für den nächsten Tag aufgehoben. Das Dinner soll pünktlich um acht serviert werden. Als Stratege mag Kingman gescheitert sein, überlegt Bill, aber er weiß, wie man die Dinge kultiviert abwickelt.
Vor allem anderen ist natürlich die Zeremonie an der Reihe. Es gibt kaum einen geeigneteren Platz dafür. Kingmans Heiligtum ist zwar klein, dafür aber eins der ältesten der Athanasianischen Gesellschaft. Alle früheren wurden auf dem europäischen Kontinent während der Zeit der Unruhen zerschlagen. Die Gewölbedecke ist mit einem Sternenkreuz in Blattgold auf Blau verziert. Die Abbildung ist bemerkenswert akkurat, wenn man bedenkt, daß die Europäer zur Zeit der Errichtung dieses Gewölbes den Südhimmel nicht kannten.
Jürgen verliest die Widmung. Ein Fremder wäre überrascht, wie die Intelligenz dieses Mannes durch seine Schwerfälligkeit hindurchschimmert, sobald ihn die Weisheit packt. Schließlich sprechen alle gemeinsam den Eid – ›Alles wird gut werden‹ – und trinken aus dem Heiligen Kelch, in diesem Fall ein Eisengefäß der Hethiter, dem Prunkstück aus Kingmans Sammlung.
Sie vertauschen ihre Roben mit Straßenkleidung und treffen sich in der Bibliothek wieder. In den Eichenregalen steht eine große Anzahl echter, gebundener Bücher mit Lederrücken. Außer den vieren, die sich gerne als Jäger sehen, sind noch zwei weitere Mitglieder des Exekutivkomitees anwesend: Jack und Martita.
Jack sieht wie ein alternder Boxer aus und trägt wie gewöhnlich die Kleidung eines New Yorker Bankiers. Martita ist von Natur aus blaß und versucht, durch Kontraste einen größtmöglichen Effekt zu erzielen. In diesem Fall dadurch, daß sie einen grobgestrickten Wollanzug trägt, der ihr feines, goldenes Haar betont.
Martitas Anzug hat zwar etwas Paramilitärisches, aber ihre kämpferische Haltung ist echt. »Wir haben zwar die Debakel der letzten zwei Jahre halbwegs verkraftet«, verkündet sie, während der Butler noch Getränke serviert. »Trotzdem muß unser Programm – größtenteils Ihr Programm, Bill, aber korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre« – dabei sieht sie ihn mit erhobenen Brauen an – »als kläglich gescheitert betrachtet werden, wie sinnvoll es auch anfangs gewirkt haben mag.«
»Ich halte es für vollkommen überflüssig, alte Wunden aufzureißen. Wir alle sind uns durchaus über die entscheidenden Punkte im klaren«, antwortet Bill
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