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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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die
Teiche auf der Rückseite des Rose and Crown Pub am Rand des Golfplatzes, an
denen Mum und ich immer vorbeikamen, wenn wir auf den Lickey Hills spazieren
gingen. Daran erinnerte mich dieses Lachen - auch das sicher einer der Gründe,
warum das Mädchen und ihre Mutter an diesem Abend einen solchen Eindruck auf
mich machten.) Ich weiß nicht, was sie so zum Lachen brachte, es schien mit dem
Kartenspiel zu tun zu haben, kein albernes Kinderspiel wie Schnippschnapp, aber
auch nichts sonderlich Ernsthaftes und Erwachsenes. Vielleicht war es
Knockout-Whist, etwas in der Art. Was auch immer, es brachte das kleine Mädchen
zum Lachen, und ihre Mutter stimmte ein, ermunterte sie, ließ sich tragen von
den Wellen des Lachens. Es tat gut, ihnen zuzusehen, aber ich musste mich mit meinen
Blicken zurückhalten: nicht dass sie auf mich aufmerksam wurden und die Mutter
mich womöglich für einen perversen Widerling hielt. Ein oder zwei Mal schon
hatte sie meinen Blick bemerkt und für Bruchteile von Sekunden erwidert, aber
nie lang genug, dass ich irgendeine Art von Einladung herauslesen konnte, schon
schaute sie wieder weg, lachte mit ihrer Tochter, und sie verschwanden
gemeinsam hinter dem Schutzschild der Intimität.
    Ich hätte Stuart gerne eine
SMS geschickt, aber ich hatte seine Handynummer nicht. Ich hätte ihm schreiben
wollen, dass ich jetzt verstand, was er mir damals über Autos zu erzählen
versucht hatte. Autos sind wie wir Menschen. Tagtäglich laufen wir umher,
hasten hierhin und dorthin, verfehlen einander nur um Zentimeter, aber haben
kaum einmal wirklich Kontakt. Alle diese Beinaheunfälle. Alle diese
potenziellen Kollisionen. Beängstigend, wenn man genauer darüber nachdenkt -
man sollte es besser bleiben lassen.
     
    Können Sie sich daran
erinnern, wo Sie an dem Tag waren, an dem John Smith starb? Wohl eher nicht,
vermutlich. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass kaum noch jemand weiß, wer
John Smith war. Gut, im Lauf der Jahre mögen einem viele John Smiths
untergekommen sein, aber ich meine den Vorsitzenden der britischen Labour Party,
der 1994 einem Herzanfall erlag. Es ist mir klar, dass sein Ableben nicht die
weltweite Resonanz erfahren hat wie der Tod von JFK oder Lady Di, aber trotzdem
weiß ich ganz genau, wo ich damals war. Ich saß beim Mittagessen in der
Kantine des Kaufhauses in Ealing. Stuart war dabei und noch zwei, drei andere,
einer von ihnen eine absolute Nervensäge namens Dave. Er arbeitete in der
Elektroabteilung und war genau die Art Mann, die ich nicht ausstehen konnte.
Laut und langweilig und viel zu sehr von sich eingenommen. Und am Nebentisch
saß, ganz allein, diese hübsche Frau, Anfang zwanzig, mit schulterlangem
hellbraunem Haar, die einsam und fehl am Platz wirkte und immer wieder zu uns
herüberschaute. Ihr Name war (wie ich bald erfahren sollte) Caroline. Ich arbeitete
erst seit ein, zwei Monaten in diesem Kaufhaus. Davor war ich zwei oder drei
Jahre herumgereist, hatte für eine Firma aus St Albans Spielzeug verkauft,
eigentlich ein ganz netter Job. Ich hatte mich mit Trevor Paige angefreundet,
dem anderen Vertreter für die Region Südwest, und wir hatten in diesen zwei
oder drei Jahren eine Menge Spaß miteinander, doch nach nicht allzu langer Zeit
hatte das Reisen für mich gründlich an Reiz verloren. Ich begann, mich nach
Möglichkeiten umzusehen, mich irgendwo niederzulassen. Ich hatte erst kürzlich
eine Anzahlung auf ein nettes kleines Reihenhaus in Watford geleistet (nicht
weit von Trevors, wie es der Zufall wollte), und jetzt hielt ich nach einer
neuen Arbeitsstelle Ausschau. Das Kaufhaus in Ealing war einer meiner
regelmäßigen Anlaufpunkte für Vertreterbesuche, und ich hatte Freundschaft mit
Stuart geschlossen, dem Leiter der Spielzeugabteilung. Die meisten aus
Geschäftsbeziehungen erwachsenen Freundschaften behalten wohl immer etwas
Künstliches, aber Stuart und ich mochten uns wirklich, und nach einer Weile
richtete ich es möglichst so ein, dass Ealing meine letzte Anlaufstelle des
Tages war, um nach dem Verkaufsgespräch mit ihm noch einen trinken gehen zu
können. Und dann rief Stuart mich eines Abends zu Hause an, außerhalb der
Arbeitszeit, um mir zu berichten, dass er befördert worden war, und schlug mir
vor, mich für seinen Job als Leiter der Spielzeugabteilung zu bewerben. Zuerst
zögerte ich; ich war mir nicht sicher, wie Trevor es aufnehmen würde, aber als
ich es ihm sagte, fand er es gut. Er wusste, dass es genau das war, wonach ich
gesucht

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