Collection Baccara Band 322
du dich etwas aufsetzen?“ Als Christina es tat, half er ihr in die Jacke, dann zupfte er behutsam ihren langen blonden Zopf heraus.
„Danke.“
„Gern.“ Scott ließ den Blick durch die enge düstere Höhle wandern. Von draußen hörte man den Regen. Sonst nichts. „Ist irgendwie … unwirklich.“
„Ja. Vor allem, da es bei uns noch nie einen Tornado gegeben hat. Nur weiter im Norden oder im Westen von Texas. Aber …“
„Ausgerechnet heute.“ Es schien auch sein Pechtag zu sein. „Mein iPhone ist verschwunden. Hast du ein Handy?“
„In meiner Handtasche.“
„Und die ist wo?“
„Keine Ahnung. Sei bitte einen Moment still.“
Scott blickte auf ihr Gesicht. Christina hatte die Augen geschlossen. „Was machst du?“
„Ich bete. Versuche es jedenfalls.“
„Glaubst du wirklich, das könnte uns helfen?“
„Wir werden es nicht herausfinden, wenn du mich weiter störst.“
„Ist dein Kopf in Ordnung?“
„Wieso? Hältst du mich für verrückt, weil ich bete?“
„Nein. Falls dir ein herumfliegendes Teil gegen den Kopf geprallt ist, könntest du eine Gehirnerschütterung haben. Dann solltest du nicht einschlafen.“
„Oh. Danke. Aber der Kopf tut mir nicht weh. Nicht mehr als sonst.“
Ein gedämpftes Geräusch aus der Ferne ließ Scott zusammenzucken. Du lieber Himmel! Wie hatte er vergessen können …?
Hastig kroch er zu der Wand aus Trümmern, die ihn von seiner Familie trennte. „Blake! Mike!“ Er riss ein Brett heraus, und schon rieselten Staub und feiner Schutt auf sie beide herab. „ Dad! Kannst du mich hören?“
„Um Gottes willen, lass das!“, fuhr Christina ihn an. „Oder willst du riskieren, dass uns der ganze Schrott auf den Kopf fällt?“
„Nein, aber …“ Er schluckte hart. „Ich habe Angst um meine Familie. Die sind da drüben irgendwo … und vielleicht verletzt.“
„Es wird alles gut.“
Er kroch zu Christina zurück und setzte sich neben sie. „Glaubst du?“
„Natürlich kommt Hilfe. Man wird uns hier finden. Wir müssen nur geduldig warten.“
„Für jemanden, der eben noch meinte, dem Tode ins Auge zu blicken, bist du erstaunlich ruhig.“
„Ich habe mich wieder gefangen. Oder stehe unter Schock. Schwer zu sagen.“
Scott blickte sie an. Es war hier so dunkel, dass er ihr Gesicht nur undeutlich sah. Er konnte sich jedoch bestens an die hübsche Kellnerin erinnern. An ihr Lächeln, ihre nette Art, das humorvolle Funkeln in ihren blauen Augen.
Und an seine schlechte Laune. „Tut mir leid, wenn ich vorhin unfreundlich war. Nur weil es keinen Espresso gab.“
„Vergeben und vergessen.“
„Ich war nur sauer, weil der Sturm immer heftiger wurde. Ich wollte unbedingt nach Atlanta zurück.“
„Ich hatte mir diesen Abend auch anders vorgestellt.“
Also, er bewunderte Christina mit jeder Sekunde mehr. Die meisten Frauen, die er kannte, wären längst hysterisch geworden.
Seine Haut war mit Mörtelstaub bedeckt, sein Mund ausgetrocknet und ihm brannten die Augen. Bei ihr musste es ebenso sein. Dazu steckte sie unter der Granitplatte fest. Sie konnte ihre Füße nicht bewegen, würde nicht mal ausweichen können – falls die Trümmer über ihnen einstürzten. Trotzdem blieb sie ruhig und gefasst.
Ja, diese zierliche Frau ist wirklich bewundernswert, dachte Scott.
Und sollte er jemals wieder in eine so schreckliche Situation geraten, dann bitte nur mit der tapferen Christina Hastings.
„Erzähl mir von deiner Familie“, bat sie. „Es würde mich ein wenig ablenken.“
„Gut.“
Er brachte sie zum Lachen.
Ließ sie die Gefahr vergessen. Na ja, nicht wirklich. Es half Christina jedoch sehr, dass Scott an ihrer Seite blieb. Er hatte einen Arm um sie gelegt und erzählte und erzählte.
Dafür war sie ihm unendlich dankbar.
Er schien ein wunderbarer Mann zu sein. Hilfsbereit und fürsorglich. Humorvoll, obwohl er auf den ersten Blick so ernst gewirkt hatte. Und nur ihr zuliebe plauderte er seit Stunden über seine Familie.
So lebhaft, dass Christina fast meinte, die Fortunes persönlich zu kennen.
Allerdings … wenn Scott von seiner Kindheit erzählte, spürte sie, dass es für ihn nicht immer lustig gewesen sein konnte, mit fünf Geschwistern aufzuwachsen. Doch vor allem mit diesem Vater.
Schon die eine Geschichte sagte ihr das: Scott und sein Bruder Mike hatten jeder einen Limonadenstand errichtet. Als Konkurrenzunternehmen! Früh übt sich, wer ein guter Kaufmann werden will. Und der Vater hatte den elfjährigen Mike
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