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Colorado Kid

Colorado Kid

Titel: Colorado Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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damit sie ihm hinterher nicht vorheulen kann, sie hätte es nicht gewusst.«
    Stephanie schaute über die Terrasse, die um zwanzig nach eins noch immer zur Hälfte besetzt war. Dann spähte sie in den großen Saal, der einen herrlichen Blick auf die Bucht von Moose Cove bot. Dort war so gut wie jeder Tisch besetzt. Stephanie wusste, dass die Gäste zwischen Ende Mai und Ende Juli draußen bis gegen drei Uhr Schlange standen. In anderen Worten: Im Sommer herrschte Hochbetrieb. Dabei zu erwarten, dass die Kellnerinnen jede einzelne Bestellung im Kopf behielten, während sie sich die Hacken abliefen, um Tabletts mit dampfenden Hummern und Muscheln herauszubringen …
    »Das ist aber ganz schön –« Stephanie verstummte. Sie hatte Angst, dass diese beiden schrägen Vögel sich über sie lustig machen würden. Wahrscheinlich hatten sie den Islander schon zu Zeiten herausgebracht, als es noch gar keinen Mindestlohn gab.
    »Unfair? Oder was wolltest du sagen?«, fragte Dave trocken und nahm das letzte Brötchen aus dem Korb.
    Bei ihm klang »unfair« wie unfä-or und reimte sich mehr oder weniger mit »ah jo«, der hiesigen Antwort auf alle Fragen, irgendwo zwischen »ja« und »ach, wirklich?« angesiedelt. Stephanie stammte aus Cincinnati, Ohio. Beim Antritt ihres Praktikums beim Weekly Islander auf Moose-Lookit Island hatte sie gedacht, sie würde es niemals schaffen, etwas zu verstehen, der Akzent sei einfach zu schwer. Wie sollte sie etwas lernen, wenn sie nur jedes siebte Wort verstand? Und wie schnell wären die Männer der Meinung, sie sei völlig minderbemittelt, wenn sie ständig bat, den letzten Satz noch einmal zu wiederholen?
    Vier Tage nach Beginn ihres viermonatigen Praktikums für die Universität von Ohio war sie kurz davor gewesen, alles hinzuwerfen. Da hatte Dave sie beiseite genommen und gesagt:
    »Gib nicht auf, Steffi, hab noch ein bisschen Geduld.« Es hatte sich gelohnt: Fast über Nacht hatte sie den Dialekt plötzlich verstanden. Als hätte sie eine Blase im Ohr gehabt, die plötzlich auf wundersame Weise geplatzt war. Selbst wenn sie hier für den Rest ihrer Tage lebte, würde sie zwar niemals wie die Einheimischen sprechen, aber verstehen, »ah jo«, das würde sie sie schon.
    »Genau: unfair«, stimmte Stephanie Dave zu.
    »Dieser Begriff existiert nicht in Jack Moodys Wortschatz, höchstens wenn er über Sport redet«, sagte Vince, und dann im gleichen Tonfall: »Lass das Brötchen liegen, Dave Bowie, irgendwann platzt du noch, quiek, quiek, kleines Schweinchen.«
    »Soweit ich weiß, sind wir nicht verheiratet«, gab Dave zurück und biss ins Brötchen. »Kannst du ihr nicht verraten, was dir durch den Kopf geht, ohne mich dabei zu beschimpfen?«
    »Ganz schön vorlaut, was?«, sagte Vince. »Und keiner hat ihm beigebracht, dass man nicht mit vollem Munde spricht.« Er legte den Arm über die Rückenlehne des Stuhls. Der Wind wehte über den funkelnden Ozean und blies Vince das weiße Haar aus der Stirn. »Steffi, Helen hat drei Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Ihr Mann hat sich vom Acker gemacht. Sie will auf der Insel bleiben, aber das schafft sie nur – gerade so –, wenn sie im Grey Gull arbeitet. Denn die Sommer sind ein bisschen fetter, als die Winter mager sind. Kannst du noch folgen?«
    »Ja, sicher«, sagte Stephanie. Genau in dem Moment erschien die Frau, die Gegenstand des Gesprächs war. Stephanie bemerkte, dass sie dicke Stützstrümpfe trug, die ihre Krampfadern nicht völlig kaschierten. Außerdem hatte sie dunkle Ringe unter den Augen.
    »Hallo, Vince, hallo, Dave«, sagte sie und begnügte sich mit einem Nicken in Richtung des hübschen Mädchens, dessen Namen sie nicht kannte. »Euer Freund ist ja schon gegangen. Musste er zur Fähre?«
    »Jawohl«, sagte Dave. »Ihm ist plötzlich eingefallen, dass er noch zurück nach Boston muss.«
    »Ah jo? Seid ihr fertig?«
    »Ja, aber warte noch ein bisschen mit dem Abräumen«, sagte Vince. »Wenn du Zeit hast, kannst du uns die Rechnung bringen, Helen. Wie geht’s den Kindern?«
    Helen Hafner verzog das Gesicht. »Jude ist letzte Woche aus dem Baumhaus gefallen und hat sich den Arm gebrochen! Wie der geschrien hat! Ich hab mich zu Tode erschrocken!«
    Die beiden Alten sahen sich an und mussten lachen. Schnell rissen sie sich wieder zusammen und machten zerknirschte Gesichter. Vince entschuldigte sich bei Helen, aber sie war dennoch erzürnt.
    »Männer haben gut lachen«, sagte sie mit müdem, sarkastischem Lächeln zu

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