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Colorado Kid

Colorado Kid

Titel: Colorado Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gut finde?«, fragte Vince Teague und hielt das Gesicht in die Sonne. Er kniff die Augen wegen des grellen Lichts zusammen, seine Haut legte sich in unzählige Falten. Sein wahres Alter war noch immer nicht zu erraten, aber wie achtzig sah er jetzt immerhin schon aus.
    »Nein. Was denn?«, fragte Stephanie belustigt.
    »Ich finde es gut, dass das Geld im Umlauf bleibt, wie Wäsche im Trockner. Das beobachte ich gerne. Und diesmal landet das Geld, wenn die Maschine endlich stehen bleibt, hier auf Moosie, wo die Leute es wirklich brauchen. Am tollsten ist allerdings, dass der Typ aus Boston zwar unser Essen bezahlt hat, aber nichts in der Hand hatte, als er zur Fähre ging.«
    »Als er zur Fähre rannte«, verbesserte ihn Dave. »Er musste sich doch beeilen! Ich hab an dieses Gedicht von Edna St. Vincent Millay gedacht: ›Wir waren so müde, wir waren so froh, wir fuhren die ganze Nacht auf dem Boot.‹ Oder so ähnlich.«
    »Na, froh sah er mir nicht gerade aus. Aber wenn er im nächsten Ort eintrifft, ist er bestimmt richtig müde«, meinte Vince. »Ich glaube, er hat von Maddewaska gesprochen. Vielleicht findet er ja da ein ungelöstes Rätsel. Zum Beispiel, warum da überhaupt freiwillig Menschen leben. Pass jetzt auf, Dave!«
    Stephanie war überzeugt, dass zwischen den beiden Männern eine schlichte, aber gut funktionierende Telepathie herrschte. Seit ihrer Ankunft auf Moose-Lookit Island vor drei Monaten hatte sie mehrere Beweise dafür erlebt. Dies war wieder eines. Die Kellnerin kam näher, die Rechnung in der Hand. Dave hatte ihr den Rücken zugewandt, Vince sah ihr entgegen. Der Jüngere schien dennoch genau zu wissen, was der Redakteur des Islander von ihm erwartete: Dave griff in die Gesäßtasche, holte seine Börse heraus, zog zwei Scheine hervor, faltete sie und schob sie über den Tisch. Kurz darauf stand Helen vor ihnen. Mit seiner knotigen Hand nahm Vince die Rechnung entgegen, mit der anderen drückte er die Geldscheine in die Tasche von Helens Uniform.
    »Danke, meine Liebe«, sagte er.
    »Wollt ihr wirklich keinen Nachtisch?«, fragte sie. »Es gibt Macs Schokoladenkuchen mit Kirschen. Steht nicht auf der Karte, aber es ist noch was da.«
    »Für mich nicht. Steffi, du?«
    Sie schüttelte den Kopf. Mit gewissem Bedauern schloss sich Dave Bowie ihr an.
    Helen schenkte (falls das das richtige Wort war) Vince Teague einen abschätzenden Blick: »Du könntest etwas mehr auf den Rippen vertragen, Vince.«
    »Der Suppenkasper und der Vielfraß, das sind Dave und ich«, sagte Vince grinsend.
    »Ah jo.« Helen warf Stephanie einen Blick zu. Rasch kniff sie ein Auge zu, ein kurzes Zwinkern, das überraschend viel Humor verriet. »Da haben Sie sich ja zwei ausgesucht, Miss«, sagte sie.
    »Die sind schon in Ordnung«, gab Stephanie zurück.
    »Klar, und als Nächstes gehen Sie direkt zur New York Times«, entgegnete Helen. Sie sammelte die Teller ein.
    »Komme gleich wieder.« Dann stapfte sie davon.
    »Wenn sie die vierzig Dollar findet«, meinte Stephanie, »weiß sie dann, von wem sie sind?« Auf der Terrasse saßen rund ein Dutzend Gäste, die Kaffee, Eistee und Nachmittagsbier tranken oder den Schoko-Kirsch-Kuchen aßen, der nicht auf der Karte stand. Nicht alle sahen so betucht aus, als könnten sie der Kellnerin vierzig Dollar zustecken.
    »Wahrscheinlich schon«, sagte Vince. »Aber sag mir eins, Steffi.«
    »Was denn?«
    »Wenn sie es nicht wüsste, wäre das dann so schlimm?«
    »Ich weiß nicht, was du –«
    »Ich glaube schon«, unterbrach er sie. »Na los, zurück an die Arbeit. Die Nachrichten warten nicht.«
     

2

    Was Stephanie beim Weekly Islander am besten gefiel, was sie selbst nach drei Monaten unermüdlichen Artikelschreibens verzückte, war der Umstand, dass man an einem sonnigen Tag nur von seinem Schreibtisch aufstehen und sechs Schritte gehen musste, um den herrlichsten Blick auf die Küste Maines zu haben. Dazu brauchte man nämlich nur auf die überdachte Veranda zu treten, die sich an dem scheunenähnlichen Zeitungsgebäude entlangzog. Natürlich roch es nach Fisch und Tang, aber dieser Geruch lag überall auf Moose-Look in der Luft. Man gewöhnte sich daran, hatte Stephanie festgestellt, und irgendwann geschah etwas Wunderbares: Kaum hatte die Nase den Geruch ignorieren gelernt, entdeckte sie ihn aufs Neue, und diesmal empfand sie ihn fast wie Parfüm.
    An klaren Tagen (wie an diesem gegen Ende August) zeichnete sich jedes Haus, jeder Anleger, jedes Fischerboot jenseits des

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