Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
er – ich schätze ihn auf Anfang, sie eher auf Ende dreißig –, und ich frage mich unwillkürlich, ob die beiden wohl ein Paar sind. Müssen sie eigentlich, sie wirken jedenfalls sehr vertraut miteinander.
Die Frau blickt noch einmal neugierig nach unten zu mir und sagt etwas, wahrscheinlich erkundigt sie sich, wer ich bin. Doch der Mann winkt nur unwillig ab, ohne noch mal zu mir herunterzusehen, so als könnte ich unwichtiger gar nicht sein. Dann hakt er die Frau unter und zieht sie weiter, weg von der Treppe. Weg von mir.
Krass, denke ich, als die beiden aus meinem Blickfeld verschwunden sind. Der Kerl hat eigentlich kaum noch etwas gesagt, seit er erraten hat, wer ich bin. Trotzdem war die Botschaft eindeutig: Er will nichts mit mir zu tun haben. Und kein Wort der Erklärung, kein Wort darüber, wer er ist, nichts. Das war schon mehr als unhöflich. Und es erschüttert mich, obwohl ich es nicht will. Was um Himmels willen kann ich ihm denn nur getan haben?
Erst, als die nächsten Gäste an mir vorbeikommen – auf dem Weg nach oben, wie alle anderen –, wird mir klar, dass ich immer noch auf der Treppe stehe und dem Mann und der Frau hinterherstarre. Verärgert über mich selbst raffe ich meinen Rock und gehe – vorsichtiger diesmal und ohne Zwischenstopps – weiter die Treppe hinauf.
Dieser Abend ist wichtig, auch wenn er mit einem kleinen Fehltritt angefangen hat, und ich werde mir von diesem Mann nicht den Wind aus den Segeln nehmen lassen. Keine Ahnung, was er für ein Problem hat – das muss mich nicht interessieren. Deshalb tue ich genau das, was ich getan hätte, wenn ich nicht gestürzt wäre: Ich nehme auch noch die übrigen Bilder in Augenschein, die im Treppenhaus hängen, versuche mich darauf zu konzentrieren, aus welcher Epoche sie stammen. Doch die Euphorie von vorhin will sich jetzt nicht mehr einstellen. Stattdessen erwische ich mich dabei, wie meine Gedanken immer wieder zurückwandern zu dem mysteriösen Matteo und seiner plötzlichen Feindseligkeit.
Weil ich das einfach nicht verstehe. Wir hatten im Auktionshaus seit längerer Zeit mit niemandem Ärger. Im Gegenteil. Unser Ruf ist ausgezeichnet, was wichtig ist in unserem Geschäft, deshalb kann es damit nicht zusammenhängen. Bleibt also nur, dass es an mir liegt. Doch was kann ich ihm getan haben, wenn wir uns – wie er selbst zugegeben hat – bis gerade nicht mal kannten? Ich bin sicher nicht der überschwängliche Typ, eher etwas reserviert, aber als unfreundlich würde mich wohl niemand bezeichnen. Was kann ihn also so gegen mich aufgebracht haben? Oder vielleicht interpretiere ich da auch etwas hinein. Vielleicht fand er mich ja einfach nur unattraktiv und langweilig und ist deshalb schnell geflüchtet?
Energisch verdränge ich das schale Gefühl, das dieser Gedanke in mir hinterlässt, und münze es in Zorn um. Schließlich brauche ich den Fehler nicht bei mir zu suchen, wenn dieser Kerl sich nicht benehmen kann. Und da ich sprunghafte Menschen ohnehin nicht leiden kann, ganz egal, wie attraktiv sie sein mögen, sollte ich wirklich lieber zusehen, dass ich …
Überrascht bleibe ich oben am Treppenabsatz stehen und vergesse für einen Moment meinen Sturz und alles, was danach passiert ist. Die beiden Räume, die sich vor mir öffnen – zwei ineinander übergehende große Salons, geschmackvoll mit Antiquitäten eingerichtet und wieder mit zahlreichen Gemälden und Kunstgegenständen dekoriert – sind nämlich voller Menschen. Dass es so viele Gäste sein würden, hatte ich nicht erwartet. Es hieß, es wäre nur ein kleiner Empfang, und ich dachte, ich würde genug Gelegenheit haben, den Gastgeber in Ruhe zu sprechen. Aber wird Giacomo di Chessa überhaupt Zeit für mich haben, wenn er sich auch um so viele andere kümmern muss?
Andererseits ist es natürlich ein Vorteil, wenn die Mitglieder der römischen Kunstszene sehr zahlreich seiner Einladung gefolgt sind. Als ehemaliger Dekan des Kunsthistorischen Instituts an der Universität Rom wird er viele Experten und potentielle Käufer kennen – und wenn ich Glück habe, dann kann ich hier eine Menge neuer Kontakte knüpfen. Allerdings nicht allein, deshalb lasse ich den Blick suchend über die Menge gleiten.
Eigentlich hatte ich gehofft, dass Andrew mich schon erwartet. Er ist der Einzige, den ich hier kenne, und ich brauche ihn dringend, denn er hat mir versprochen, mich den wichtigen Leuten vorzustellen – allen voran unserem Gastgeber.
Von Andrew ist jedoch nichts
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